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Dönerröschen

Titel: Dönerröschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaromir Konecny
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finden immer einen Grund«, sagte sie.
    »Ich bin nicht so«, sagte ich.
    »Das wird sich zeigen«, sagte sie. Uff! Was meinte sie damit? Sie lehnte sich an die Spüle und guckte mich an: »Als ich damals in der NORDSEE gesehen habe, dass du mich nicht mal erkennst, war ich sehr traurig.«
    »Du hast doch die ganze Zeit gelacht! Auch im Obletter danach.«
    »Je trauriger ich bin, umso mehr lache ich.«
    Für den Spruch zollte ich ihr ein paar Sekunden Respekt, musste aber dann doch zurückschlagen: »Und deswegen wolltest du dich rächen? Von wegen: Selma ist die Schwester von Danis und so?«
    Bebisch stützte sich die Hände in die Hüften: »Na, hör mal! Du vergisst mich, und dann soll ich wie ein Hund ankriechen, wenn du wieder auftauchst. Ich wollte gucken, wann du endlich die Augen aufmachst. Anscheinend hat’s geholfen. Sonst hättest du mich auch jetzt nicht erkannt.«
    »Das ist sehr hübsch«, sagte ich und berührte mit dem Finger eine blaue Perle an ihrer Halskette.
    Sie zuckte nicht weg, guckte mir in die Augen. Ich starrte zurück, das hatte ich schon bei Anne trainiert. Bebischs Augen waren groß und klar. Braun wie das Laub im Herbst, wie frisch gepflügte Erde. »Das ist eine Nazar-Perle«, sagte sie. »Um den bösen Blick der Menschen mit hellblauen Augen abzuwehren.«
    »Ich habe blaue Augen«, sagte ich.
    »Eben«, sagte sie. Kurz hielt sie inne, dann zwinkerte sie mir zu und sagte: »Deine Augen sind dunkelblau wie das Meer.« Mann, oh, Mann! War ich glücklich!
    »Sibel?«, rief aus dem Flur Danis. »Wo ist Jonas?«
    »In der Küche!«, rief Bebisch.
    Danis steckte den Kopf herein. »Was treibt ihr da?« Bebisch guckte mich an. Sicher bat sie mich lautlos, nicht zu verraten, dass wir mal verlobt waren. Mann! Wenn Danis das rauskriegte, dann gab’s wieder ’ne Schlägerei. Ein Deutscher macht sich an die Schwester eines türkischen Jungen ran. Na, wenn das nicht nach einem Ehrenmord rief? Zum Glück war ihr Vater nicht hier. Der würde sofort den Braten riechen, oder? Und seinen Säbel zücken, um den Braten in Scheiben zu schneiden. Warum hatte ich mit zehn um Bebisch blümeln können und keine Angst gehabt? Ich hatte doch damals keine Angst gehabt, oder? Die Erinnerungen kamen wie eine Lawine:
    Hatte sie im Garten meiner Tante nicht Saltos gemacht? Räder geschlagen? Ich sah ein zehnjähriges Mädchen, das unter einem großen Kastanienbaum turnte wie ein Zirkusakrobat. Aber voll dominant war sie schon damals. Um ihr zu zeigen, was für ein Mann ich war, hatte ich eine volle Schüssel Sauerkirschen aus Tante Johannas Garten gegessen. Samt der Kerne darin. Die Kloschüssel meiner Tante wackelte am Abend unter meinem Beschuss und im Porzellan hatte es danach Absplitterungen gegeben wie nach einem Hagelsturm.
    Eeeh … egal! Jetzt mussten die Spuren von damals verwischt werden! »Ich helfe Bebisch nur ein bissl«, sagte ich zu Danis. Scheiße! Da hast du ja voll die Spuren verwischt, du Idiot! Und sie dabei mit dem Namen genannt, den sie seitdem nicht mehr hören wollte. Hätte mir in die Zunge beißen können. Mitten rein in den Fettnapf gelatscht. Aber »Bebisch« war aus mir herausgerutscht wie ein Schluckauf. Mit vor Schreck großen Augen starrte Bebisch mich an. Weltwunderaugen! Groß und braun wie Kiwis. Weltuntergangsaugen!
    »Du bist Josch, oder?«, fragte Danis und zog aus dem Holzblock neben der Spüle ein Schlachtmesser heraus. Oj! Jetzt würde Blut fließen! Kopf hoch, Mann! Nur noch einmal, bevor er zum Boden rollte! Ich stellte mich vor Bebisch. Sie lachte laut auf, sie ist zu schlau für mich, auch das hatte ich vergessen. Danis warf ihr einen fragenden Blick zu und nahm den Salatkopf in die Hand. »Ich helfe euch mit dem Schneiden.« Bebisch flüsterte mir ins Ohr: »Mutig warst du schon immer!« Echt? Hatte sie damit die Sauerkirschen gemeint? Die Zeit mache uns gleicher, sagt Dok. Hier stimmte es wohl nicht.
    Danis legte das Messer zurück auf die Küchentheke, drehte sich um und holte aus der Spüle eine Siebschüssel mit gewaschenen Tomaten. Als er sich wieder umdrehte, stieß er mit dem Ellbogen an das Messer. Das Messer flog zu Boden, mit der Spitze nach unten, gleich würde es sich in meinen Fuß bohren – der Gedanke kam schnell, doch folgen konnte ich ihm nicht. Bebisch schon: Ihre Hand schoss an meinem Knie vorbei, kurz über meinem Fuß erwischte sie den Messergriff. »Boah!«, sagte ich. »Du bist schnell! Danke!«
    »Du musst in Bewegung bleiben«, sagte Bebisch.

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