Dönerröschen
zu Anne um. »Und deswegen sage ich Anne zu dir?«
Anne lächelte: »Ja! Auf Türkisch heißt Mutter Anne. So soll das Mädchen immer ihre Mutter gerufen haben: Anne, Anne … Irgendwann hast du dann angefangen, mich auch Anne zu nennen.«
»Und ich dachte, das kommt von dieser berühmten Geigerin – Anne-Sophie Mutter!«, sagte ich. »Von der hast du mir doch oft erzählt.«
Dok knallte mit der Handfläche auf die Tischplatte und lachte. »Die ist dann eine zweifache Mutter, he, he, he!«
Anne schaute Dok erbost an. »Was verzapfst du da wieder?«
»Na, im Vornamen ›Mutter‹ auf Türkisch und im Nachnahmen auf Deutsch.«
Anne seufzte zum dritten Mal und guckte wieder mich an. »Auf jeden Fall wurdest du nach zwei Monaten endlich gesund, das Mädchen hast du aber nicht mehr erwähnt. Wir haben es dabei belassen. Wir wollten nicht, dass du wieder krank wirst.«
»Man sollte über seine eigene Geschichte Bescheid wissen«, sagte ich.
»Da magst du recht haben«, sagte Dok.
»Was hast du aber gegen die Türken, Anne? Wenn ich schon als Kind mit einem türkischen Mädchen befreundet war.«
»Eeeh … ich habe doch nichts gegen die Türken …«
»Doch, Baby!«, sagte Dok.
»Ich … ich weiß nicht … Da ist … da ist wohl eine komische Angst in mir.« Jetzt seufzte zur Abwechslung Dok. Anne ging in ihr Zimmer Geige spielen.
»Aber die Türken sind doch nicht anders als wir?«, fragte ich Dok.
»Nein«, sagte er. »Was ist deine Heimat? Oberhaching? Neuperlach? München? Bayern? Deutschland? Europa? Die ganze Welt? Diese Grenzen sind fließend. Wenn du in Bewegung bleibst. Deine Heimat ist hier.« Dok zeigte auf sein Herz und dann klopfte er sich auf den Schädel. »Und hier!« Hmm … in Bewegung bleiben? Wo habe ich das schon mal gehört?
Am Freitagnachmittag rief mich Schnauze an: »Jetzt hab dich nicht so, Alta!«, sagte er. »Ich bin echt dein Freund.«
»Und was sollte das dann?«, fragte ich. »Mich mit Goldfischen zu verarschen …«
»Das war doch nur so Scherz, tu nicht gleich so beleidigt so.«
»Tue ich nicht!«, sagte ich, doch irgendwie tat ich’s doch, oder?
»Danis und ich kicken mit ein paar Freunden heute an der Putzbrunner«, sagte Schnauze.
»Ich hab mit denen schon am Montag gekickt«, sagte ich.
»Kommst du um fünf hin?«
Vor der eingezäunten Wiese an der Putzbrunner wartete Schnauze auf mich. Ich konnte’s ihm nicht so einfach durchgehen lassen. »Dass du dich gegen mich mit zwei Schnepfen verbündest«, sagte ich.
»Bitte, nicht meine Freundin beleidigen!«
»Deine Freundin? Sibel ist deine Freundin?«
»Spinnsdu?«, sagte Schnauze. »Wer würde schon Sibel zur Freundin haben wollen. Die hat was Schlimmes in der Kindheit erlebt und lässt seitdem keinen an sich ran.«
»Genauso wie ich.«
»Lässt du auch keinen an dich ran?«
»Nee … habe aber wohl etwas Schlimmes in meiner Kindheit erlebt.«
Schnauze kicherte. »Vielleicht habt ihr’s zusammen erlebt, hi, hi, hi …«
»Nee! Die hat anders geheißen.«
»Sibel macht sich nur über alles lustig«, sagte Schnauze. »Is’ so Art Panzer bei der so. Vor Sibel hat jeder Schiss. Ihr Bruder auch!«
»Danis? Der ist doch voll der Macho. Der hat mir selbst erzählt, wie seine Schwester springt, wenn er nur den Finger hebt.«
»He, he, he!«, lachte Schnauze. »Is’ ja egal! Selma is’ meine Freundin.«
»Warum zeigst du dich dann nicht mit ihr?«
»Eeh … geht nicht. Wir müssen uns bedeckt halten.«
»Hast du Angst, dass du sie zwangsheiraten musst, wenn euch ihre Familie erwischt? Oder, dass dich ihr Vater umbringt?«
»Nur ein bissl«, sagte Schnauze. »Mein Vater is’ noch schlimmer. Der zieht ständig über Türken her. Is’ alta Rassist! Er wohnt nicht mehr bei uns, aber …« Er schaute sich um und flüsterte mir ins Ohr. »Mein Alta hat hier überall Spione!«
»Waas … eeecht?«
Schnauze brüllte vor Lachen. »Quatsch! Aber is’ schon großer Spako, mein Papa!«
»Hat er dich auch verprügelt?«
»Jeden Tag!«, sagte Schnauze und grinste. Trotzdem glaubte ich’s ihm. Irgendwie. Er streckte mir die Hand hin. »Freunde?«
Ich klatschte sie ab. »Aber nur, wenn du mir versprichst, ab jetzt normal deutsch zu sprechen.«
»Klar!«, sagte Schnauze. »Gehma Bolzi!« Dann lachten wir beide. Wir standen ja bereits auf dem Bolzplatz.
Die Einladung
Die türkischen Jungs warteten schon auf uns. »Wo hast du Lena gelassen?«, fragte Danis, der Machoheld.
»Ja, wo ist Lena?«, riefen zwei
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