Dogma
verlangt, was er nicht ohnehin getan hätte. Und außerdem ging es ihm im Augenblick vor allem darum, den Mann zur Strecke zu bringen, der ein solches Gemetzel angerichtet hatte. Was immer in diesen Truhen sein mochte, war im Vergleich dazu minder wichtig, ja geradezu nichtig.
«Sie haben mein Wort.»
Brugnone quittierte das mit einem leichten Kopfnicken. «Dann machen Sie sich an die Arbeit. Ich spreche mit Delpiero und den Vertretern der Polizei. Und mit Ihren Vorgesetzten. Das andere überlasse ich Ihnen.»
«Danke.» Reilly streckte dem Kardinal die Hand entgegen, auch wenn er unsicher war, ob an dieser Stelle ein Händedruck die angemessene Geste war.
Brugnone umschloss sie fest mit beiden Händen. «Finden Sie den Kerl. Und halten Sie ihn auf.»
«Das wird nicht leicht sein. Er hat das, wonach er gesucht hat … und mit diesem Registrarium ist er uns einen Schritt voraus. Wenn es irgendwelche Informationen darüber enthält, wohin es diesen Conrad verschlagen hat, dann wird unser Mann dort zu finden sein. Aber er hat das Buch und wir nicht.»
Über Brugnones Gesicht zog der Hauch eines Lächelns. «Das würde ich so nicht sagen.» Er legte eine spannungsgeladene Pause ein, ehe er hinzufügte: «Sehen Sie, uns ist bereits seit längerem klar, dass man ein Archiv dieser Größe nicht mehr mit traditionellen Methoden verwalten kann. Wir besitzen mehr als fünfundachtzig Kilometer Regalfläche, vollgepackt mit Dokumenten. Deshalb haben wir vor etwa acht Jahren damit begonnen, diese Dokumente elektronisch zu erfassen. Inzwischen wurde fast die Hälfte des Bestands eingescannt.»
Reillys Miene hellte sich auf. Ihm war bereits klar, wie die Antwort lauten würde, dennoch sagte er: «Ich hoffe, Sie gehen dabei nicht nach dem Alphabet vor.»
«Entscheidend ist, welche Wichtigkeit wir den Dokumenten beimessen», erwiderte der Kardinal mit wissendem Lächeln. «Und die Templer – nun, insbesondere nach den Ereignissen von vor drei Jahren kann man sie wohl kaum als unwichtig einstufen, wie?»
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Kapitel Fünfzehn
Der Rest des Nachmittags verging in Chaos und Tumult.
Reilly und Tess brachten ihn auf dem Polizeikommissariat zu, wo in einem großen Konferenzraum eine provisorische Kommandozentrale eingerichtet worden war. Die fieberhafte Geschäftigkeit um sie herum ließ keine Sekunde nach, während Tess einen vollständigen, ausführlichen Bericht zu Protokoll gab, was ihr widerfahren war, und Reilly dafür zu sorgen versuchte, dass die Polizeikräfte kein Mittel ungenutzt ließen, ihren Entführer zu finden.
Sehr zu Reillys Erleichterung schienen sich die Carabinieri wirklich ins Zeug zu legen. Ein Fahndungsbefehl mit höchster Dringlichkeitsstufe wurde an die diversen Strafverfolgungsbehörden des Landes ausgegeben, sämtliche internationalen Flughäfen und Bahnhöfe waren verständigt. Interpol brachte die Fahndung auch in den Nachbarländern in Gang. Allerdings waren die Angaben zur Person spärlich. Der Bombenattentäter – mutmaßlich ein Iraner mit einem gefälschten Pass eines anderen Landes – hatte es erfolgreich vermieden, vor irgendeiner Überwachungskamera im Vatikan sein Gesicht zu zeigen. Die einzigen Bilder, die man bisher gefunden hatte, waren unscharf, und er war darauf teils verdeckt. Die Forensiker suchten noch nach Fingerabdrücken im Archiv, an dem BMW und dem ramponierten Papamobil, um zu seiner Identifizierung beitragen zu können, während ihre Kollegen in den Labors der Antiterroreinheit die entschärfte Bombe untersuchten.
Nach Simmons wurde ebenfalls gesucht für den Fall, dass auch er, wie Tess und Sharafi, nach Rom gebracht worden war. Bei der Botschaft wurde eine Dringlichkeitsanfrage nach seinen Passdaten gestellt; in der Zwischenzeit half Tess den Ermittlern, im Internet nach Fotos von ihm zu suchen.
Reilly nahm Verbindung zum Rechtsattaché des FBI in Istanbul auf und erklärte ihm, man müsse Sharafis Frau und Tochter ausfindig machen und darüber in Kenntnis setzen, was geschehen war. Außerdem bat er den Kollegen, sich an die Polizei vor Ort zu wenden, damit sie Sharafis Spitzel, den Assistenten, suchten, auch wenn er sich in dieser Hinsicht keine großen Hoffnungen machte.
Zur gleichen Zeit setzte Bescondi drüben im Archiv alle Historiker, die er auftreiben konnte, daran, die Scans des Registrariums zu sichten und nach Spuren eines Tempelritters namens Conrad zu suchen.
Reilly tat sein Möglichstes zu ignorieren, wie verärgert Delpiero und
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