Dogma
Reilly. Aber wir haben das mit unseren Vorgesetzten besprochen, und sie sind derselben Meinung wie wir.»
Reilly folgte dem Blick des Inspektors zu Tilden, der nur mit den Schultern zuckte, als wollte er sagen, was zum Teufel hast du erwartet? «Du warst nicht im Auftrag des FBI hier – schlimmer noch, du hast uns nicht einmal über deine Reise informiert, geschweige denn über die Gründe dafür. Das hat den Bossen zu Hause nicht gefallen. Wenn ich nicht gänzlich falschliege, würde ich sagen, du kannst dich als suspendiert betrachten», sagte der Attaché. «Wenigstens so lange, bis die vatikanischen und italienischen Behörden ihre Ermittlungen abgeschlossen haben.»
«Ihr könnt mich doch jetzt nicht einfach ausbooten», protestierte Reilly. «Dieser Kerl hat mich da mit reingezogen. Ich muss an der Sache dranbleiben.» Er blickte in die Runde und bemerkte, dass Brugnone ihn forschend ansah.
Tilden breitete in einer resignierten, hilflosen Geste die Hände aus. «Es tut mir ja leid, aber vorerst wird es nicht anders gehen.»
Reilly sprang auf. «Das ist doch Irrsinn», wütete er und gestikulierte erbost mit den Händen. «Wir müssen jetzt schnell handeln. Wir haben einen Tatort zu untersuchen. Eine nicht detonierte Bombe zu analysieren. Vielleicht gibt es Fingerabdrücke in den Autos und in den Archiven und Bilder von Überwachungskameras. Wir müssen die Posten an allen Zufahrtsstraßen verständigen, wir müssen Interpol kontaktieren.» Er wandte sich an Delpiero. «Schießen Sie sich nicht selbst ins Knie. Ich weiß, Sie sind wütend. Das bin ich auch. Aber ich kann helfen, und ich bin jetzt und hier verfügbar. Sie können in dieser Angelegenheit Unterstützung vom FBI brauchen, und Sie können es sich nicht leisten zu warten, bis die entschieden haben, wen sie schicken, und derjenige dann endlich hier eintrudelt. Bis dahin ist der Kerl womöglich längst über alle Berge.»
Delpiero hörte sich Reillys Argumentation ungerührt an. Brugnone jedoch räusperte sich und stand auf.
«Wir sollten nichts überstürzen.» Er warf einen Blick zu Reilly. «Agent Reilly, kommen Sie bitte mit mir in mein Büro.»
Delpiero sprang auf. «Eminenza Vostra», Euer Eminenz, «ich bitte um Verzeihung, aber … was haben Sie vor? Dieser Mann gehört verhaftet.»
Brugnone brachte den Polizeichef mit einer kleinen Geste, aus der große Autorität sprach, zum Schweigen. «Predersela con calma.» Beruhigen Sie sich.
Das genügte. Delpiero setzte sich wieder.
Reilly warf einen unsicheren Blick zu Tilden und Delpiero, dann folgte er dem Kardinal.
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Kapitel Vierzehn
Reilly ging neben dem Kardinal über die begrünte Piazza Santa Marta. Mittlerweile war es Nachmittag und brütend heiß. Fünfzig Meter links von ihnen ragte die Rückfassade des Petersdoms hoch in den Himmel auf. Der schwarze Rauch von der Autobombe war fast vollständig verflogen, der Platz jedoch, auf dem es um diese Jahreszeit gewöhnlich von Autos, Bussen und Touristen wimmelte, war menschenleer. Auch nachdem die zweite Bombe entschärft und abtransportiert worden war, wirkte der Vatikan noch immer wie eine Geisterstadt. Bei dem Anblick fühlte Reilly sich noch elender als vorhin im Büro des Inspektors.
Der Kardinal ging schweigend, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Ohne Reilly anzusehen, sagte er: «Wir hatten seit Ihrem letzten Besuch noch nicht wieder die Gelegenheit, miteinander zu sprechen – wann war das, vor drei Jahren?»
«Ja, das ist richtig», bestätigte Reilly.
Brugnone nickte gedankenverloren. Nach kurzem Schweigen fragte er: «Das war für Sie damals sicher auch eine schwere Zeit, wie? Die Fragen, die Sie hatten, die Antworten, die Sie bekommen hatten … und dann, nach alldem, dieser verheerende Sturm, in den Sie geraten sind …»
Erinnerungen an diese Episode seines Lebens stiegen in Reilly auf. Noch drei Jahre später glaubte er das Salzwasser zu schmecken und fühlte die grimmige Kälte der langen Stunden, in denen er halb tot auf einem provisorischen Floß auf dem Meer getrieben war, Meilen entfernt von der Küste einer kleinen griechischen Insel. Aber was ihm damals noch tiefer ins Mark gedrungen war als die Kälte, waren die Worte, die der Kardinal zu ihm gesagt hatte: Leider verhält es sich mit der Wahrheit so, wie Sie befürchten. Das erinnerte Reilly daran, dass er nie eine abschließende Antwort auf seine Frage bekommen hatte. Er fühlte sich in den Augenblick zurückversetzt, als
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