Dogma
erloschener Vulkan.» Er sah Tess und Reilly skeptisch an. «Der Berg ist groß.»
«Ich weiß», erwiderte Reilly düster.
«Er liegt genau in der Mitte des Landes, in Anatolien. Irgendwo da gibt es auch einen Skiort.» Ertugrul dachte einen Moment lang nach. «Das ist also das Kloster, das Sie mit Hilfe der Leute vom Patriarchat finden wollen?»
Reilly nickte. «Bisher endet Conrads Spur bei seinem Grab. Ich glaube, es bestehen gute Chancen, dass unser Mann dorthin unterwegs ist, in der Hoffnung auf einen Hinweis, wo sich das, was die Ritter von den Mönchen zurückgeholt haben, befindet. Aber wir wissen nicht genau, wo die Gräber sind, und er kann es auch nicht wissen. In seinem Tagebuch hat der Inquisitor nur beschrieben, wo diese Schlucht vom Kloster aus gesehen liegt – aber wo das ist, wissen wir eben auch nicht.»
«Können wir seine Reiseroute nicht anhand der geographischen Gegebenheiten um den Berg herum rekonstruieren?»
«In der Gegend gibt es unzählige Täler und Schluchten. Solange wir den Ausgangspunkt des Inquisitors nicht kennen, tappen wir im Dunkeln», erklärte Tess. «Wir müssen zuerst das Kloster finden und uns von dort aus an die Wegbeschreibung des Inquisitors halten.»
«Wir wissen, dass die Mönche dort Basilianer waren», warf Reilly ein. «Das heißt, es war ein orthodoxes Kloster.»
«Und wenn es irgendwo Aufzeichnungen darüber gibt, werden sie am ehesten im Zentrum der orthodoxen Kirche zu finden sein», folgerte Ertugrul.
«Ganz genau. Wenn wir das Kloster gefunden haben, können wir uns von dort aus an den Landmarken orientieren, die der Inquisitor beschrieben hat, um zu den Gräbern der Templer zu gelangen. Und wenn es uns gelingt, als Erste dort anzukommen, führt uns das vielleicht zu unserem Bombenleger – und zu Simmons.»
«Nun, ich habe nach unserem Gespräch den Sekretär des Erzbischofs kontaktiert», berichtete Ertugrul. «Man erwartet uns.» Und schulterzuckend fügte er hinzu: «Vielleicht haben wir ja Glück.»
Glück … Innerlich kochend vor Wut, dachte Reilly daran, wie perfekt der Iraner seine Rolle gespielt hatte, von ihrer ersten Begegnung am Flughafen bis zu dem Moment in dem Papamobil, als Reilly ihn durchschaut hatte. Dieser Mann überließ nichts dem Zufall, und Reilly befürchtete, dass sie auch jetzt nicht auf Glück hoffen durften. Es würde mehr als das brauchen, um ihn zur Strecke zu bringen.
Sie bogen von der Autobahn ab und tauchten in den Wirrwarr der Straßen im Stadtzentrum Istanbuls ein. Dröhnende Dieselmotoren von alten Lastwagen und Bussen und zornige Autohupen lärmten überall um sie herum, als sie quer durch die Stadt zu den Verteidigungsmauern fuhren, die das träge Gewässer des Goldenen Horns flankierten. Die kleine Wagenkolonne bog mehrmals ab und folgte schließlich einer engen Einbahnstraße, die entlang einer hohen Mauer zur Linken einen sanft ansteigenden Hang hinaufführte.
«Da ist der Phanar», sagte Ertugrul, die umgangssprachliche Bezeichnung für den Sitz des Patriarchen verwendend, und deutete aus dem Wagenfenster.
Reilly und Tess schauten hinaus. Was sie dort sahen, war für die griechisch-orthodoxe Kirche, was der Vatikan für die Katholiken war, wenn auch längst nicht so prächtig. Die orthodoxe Kirche besaß kein einheitliches geistliches Oberhaupt; sie war gespalten, und wo immer es eine große Gruppe ihrer Anhänger gab, da hatte diese ihren eigenen Patriarchen, sei es in Russland, Griechenland oder Zypern. Der ökumenische Patriarch von Istanbul galt allerdings als der formelle Anführer, der «Erste unter Gleichen». Dennoch bestand sein Amtssitz nur aus einer kleinen Ansammlung unscheinbarer Gebäude.
Den Mittelpunkt bildete die Sankt-Georgs-Kirche, ein schlichter Bau ohne Kuppel, der früher zu einem Konvent gehört hatte. Wahrscheinlich hätte die gesamte Kirche leicht im Mittelschiff des Petersdoms Platz gefunden. Dennoch war sie das spirituelle Zentrum der Orthodoxie, eine kunstvoll ausgestaltete Kirche, die ein paar hochgeschätzte Reliquien beherbergte, darunter ein Stück von der Geißelungssäule Jesu vor der Kreuzigung. Auf dem begrünten Gelände befanden sich außerdem ein Kloster, ein paar Verwaltungsgebäude und – was für Reilly und Tess am interessantesten war – die Bibliothek des Patriarchen.
Knapp siebzig Meter vom Eingangstor entfernt, verlangsamten die Fahrzeuge vor den gepanzerten Geländewagen auf Schritttempo. An der Zufahrtsstraße, die über die Hügelkuppe und
Weitere Kostenlose Bücher