Dogma
Polizeichef wechselten ein paar Worte auf Türkisch, dann sagte Ertugrul zu Reilly: «Unsere Freunde haben alles abgeriegelt. Die meisten Flughäfen im Land werden auch militärisch genutzt, und in Anbetracht des Kurdenkonflikts und der Lage im Irak herrscht ohnehin eine ziemlich hohe Sicherheitsstufe. Das Problem ist, dass uns zum eigentlichen Täter kaum Informationen vorliegen. Wir wissen nicht einmal, was für einen Pass er benutzt.» Ertugrul suchte in seinem Aktenkoffer, nahm ein paar Ausdrucke heraus und reichte sie nach hinten. «Die einzigen Fahndungsbilder, die wir haben, sind die von Simmons.»
Reilly studierte die Fahndungsmeldung. Sie war parallel auf Türkisch und Englisch abgedruckt, in Fettschrift, um die Dringlichkeit zu betonen. Ein paar kurze Absätze mit Beschreibungen, dazu zwei Fotos: ein körniges und ziemlich unbrauchbares von einer Überwachungskamera, die den Bombenleger aufgenommen hatte, das andere scharf, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, wie ein Passfoto, das Simmons zeigte – einen auf robuste Art gutaussehenden jungen Mann mit schulterlangem, welligem Haar und eindringlichem Blick.
Reilly sah zum ersten Mal ein Bild von dem vermissten Archäologen. Überrascht wandte er sich an Tess, die neben ihm saß. «
Das
ist Jed Simmons?»
«Ja, warum?»
Reilly schaute sie einen Moment lang irritiert an, dann zuckte er die Schultern. «Ach, nichts.»
«Was denn?»
Er sah, dass Ertugrul und der türkische Polizeichef inzwischen ein Gespräch unter sich angefangen hatten, und beugte sich ein wenig zu Tess hinüber. «Als du sagtest, dass er so ein berühmter Archäologe sei und eine solche Koryphäe auf dem Gebiet der Templer, da habe ich ihn mir irgendwie älter vorgestellt. Und verschrobener.» Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: «Und vielleicht auch hässlicher.»
Tess kicherte. «Das ist er wirklich nicht», entgegnete sie vielsagend. «Und einen durchtrainierten Körper hat er außerdem. Du müsstest ihn mal beim Surfen sehen. Ein echter Waschbrettbauch.»
«Professor Jed Simmons, Intelligenzbestie und Muskelprotz in Personalunion. Wer hätte das gedacht», murmelte Reilly trocken.
Tess musterte ihn einen Moment lang forschend, dann lachte sie leise. «Himmel, du bist doch nicht etwa eifersüchtig?»
Ehe Reilly etwas erwidern konnte, drehte sich Ertugrul wieder zu ihnen um.
«Wir haben übrigens Behrouz Sharafis Frau und Tochter ausfindig gemacht. Ich war gestern Abend bei ihnen. Sie können sich denken, dass sie ziemlich fertig ist mit den Nerven. Unsere Freunde hier haben sie zu ihrem Schutz in Gewahrsam genommen.»
Reilly runzelte die Stirn. «Was wird jetzt aus den beiden?»
«Das ist die Frage. In den Iran können sie ja nicht gut zurück, wenn man bedenkt, wer womöglich hinter alldem steckt.»
«Haben Sie mit unseren Jungs gesprochen?», erkundigte sich Reilly.
Ertugrul nickte. «Ja. Der Leiter der Dienststelle hatte Gespräche mit dem Botschafter und mit dem Konsul. Es sollte kein Problem sein, sie als politische Flüchtlinge anzuerkennen. Sie hat Cousins in San Diego, von daher wäre das eine Möglichkeit.»
«Und der wissenschaftliche Assistent?»
«Von dem fehlt jede Spur. Wie es scheint, ist er bereits über alle Berge. Er muss etwa zu der Zeit verschwunden sein, als Sharafi nach Jordanien geflogen ist.» Bei dem Gedanken an den Professor verdüsterte sich Ertugruls Miene. «Der arme Kerl, ob er wohl noch am Leben war, als …» Mit einem zögernden Seitenblick zu Tess verstummte der Rechtsattaché. Gleich darauf fiel ihm noch etwas ein, er vertiefte sich kurz in die Papiere und reichte Reilly ein weiteres Blatt.
«Immerhin in einem Punkt gibt es neue Erkenntnisse», berichtete er. «Die nicht gezündete Bombe in dem Wagen, in dem Sie waren, Miss Chaykin.» Er sah sie ein wenig verlegen an. «Die Sprengstoffexperten haben ihren Bericht abgeliefert. Das war ein ziemliches Kaliber. Gute neun Kilo C4, mit einem Zünder, der per Handy auszulösen war.»
Reilly überflog die Seite bereits. «Keine Marker?»
«Keine.»
«Was sind Marker?», erkundigte sich Tess.
«Die Hersteller von Sprengstoffen wie C4 und Semtex sind durch internationale Konventionen verpflichtet, ihren Produkten eindeutig identifizierbare chemische Substanzen beizumischen, damit, falls nötig, die Herkunft ermittelt werden kann», erklärte Ertugrul. «Das System funktioniert überraschend gut. Man findet nur in seltenen Fällen Sprengmaterial ohne solche Marker. Im Irak zum
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