Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
Chirurgenzimmer. Halten Sie mir diese Lampe aus dem Weg, Weib», herrschte er Amelia an. «Ich will diese Operation in aller Eile zu Ende fuhren, bevor der Rest des Hauses uns unter seinen Trümmern begräbt. In der Geschichte der Chirurgie ist dies die einzige Hernie mit siebenhundert Prozent Sterblichkeit. Schwester!» Er fixierte sie. «Das ist kaum die Zeit zum Singen.»
    Ihre Augen strahlten entzückt über die Maske zu ihm herüber. «Ein Geschenk des Himmels, Sir Lancelot. Nun bleibt dem Ministerium wirklich nichts anderes mehr übrig, als uns endlich einen neuen OP zu bewilligen.»
     

4
     
    «Ich finde wirklich, daß die Leute da einen Elefanten aus einer Mücke machen», sagte Mr. Clapper, der Gemeinderat für Gesundheitswesen, und putzte seine schwarzgefaßte Brille mit einem großen, makellos reinen Taschentuch. «Oder sollte ich lieber sagen: ein Gewitter aus einem kleinen Regenschauer?»
    Sir Lancelot Spratt knurrte.
    «In einer gewissen Hinsicht war das Ganze ja recht nützlich. Es kam ein großer rostiger Wassertank zum Vorschein, von dem niemand im Hospital auch nur die leiseste Ahnung hatte. Kein Wunder, daß der Kantinentee oft so scheußlich schmeckte.»
    Mr. Clapper war aus dem Verwaltungsbüro des St.-Swithin hinaufbefördert worden. Der kleine, dicke Mann strahlte von seinem glatten schwarzen Haupthaar bis zu den schwarzen, hochpolierten Schuhen milden Glanz aus. Ein entspanntes Lächeln zog seine rosigen und feuchten Lippen so sehr in die Breite, daß sie Sir Lancelot an ein mit geräuchertem Lachs belegtes Brötchen erinnerten. Es war halb zehn am darauffolgenden Donnerstag, genau eine Woche später. Der Krach, der über Sir Lancelots Haupt ertönt war, hatte inzwischen in der ganzen Welt Widerhall gefunden. Fernsehtrupps waren zum Heiligen Grab geeilt. Aufnahmen Sir Lancelots und seines im Bett sitzenden Patienten füllten die Titelseiten der Zeitungen. Amelia Witherspoons Hoteltelefon hatte den Namen von Spratt’s Bottom in den Vereinigten Staaten verbreitet, deren Bewohner nur den Kopf schütteln konnten ob der Gefahren einer sozialisierten Heilkunde und ob des katastrophalen Verfalls einer einst großen Nation — als nächstes würde wohl die Kuppel der St.-Pauls-Kathedrale einstürzen.
    Sir Lancelot nahm die Macht der Presse hin, wie er die Macht der Mikroben hinnahm - beide vermochten der Menschheit großen Nutzen oder großen Schaden zu bringen, aber im allgemeinen sollte man ihnen so vorsichtig wie möglich aus dem Wege gehen. Er fand, kein Mann, der etwas auf sich hielt, sollte zulassen, daß sein Name in den Zeitungen erschien, außer im Todesfall. Aber Sir Lancelot konnte seine Befriedigung nicht verbergen, als er sah, wie die kläglichen Unzulänglichkeiten des Volksgesundheitsdienstes zu einem nationalen Skandal aufgewertet wurden. Vielleicht brachte das endlich die betreffenden,
    sonst unerreichbaren Staatsbeamten in Schwung, obwohl sie nicht einmal die Kricket-Ergebnisse in den Zeitungen zu lesen schienen.
    «Dieser Wirbel ist ganz unnötig», fuhr Mr. Clapper fort, indem er die Brille wieder vor seine rosa umrandeten Augen setzte. «Eine solche Möglichkeit ist selbstverständlich vom Ministerium klar vorausgesehen worden. Sie fällt unter Rundschreiben SHM 58/68...nein, das behandelt Rauchbekämpfung auf Krankenhausarealen. Oder vielleicht Kaminkehren von Heizanlagen in Krankenhäusern ! Jedenfalls ist es die einfachste Sache der Welt, die nötigen Reparaturanträge in dreifacher Ausfertigung bei der Kanzlei des Hausverwaltungsvorstandes einzubringen, der die geeigneten Angestellten der Instandsetzungsabteilung des Hospitals zuteilen wird.»
    «Ist bereits geschehen. Aber sie haben zu streiken begonnen. Als sie entdeckten, daß sie in einem aufgelassenen Leichenhaus arbeiteten, wollten sie höhere Löhne, um ihren Nervenstress zu kompensieren.»
    «Suchen Sie nicht schon wieder ein Haar in der Suppe, Sir Lancelot, und vergessen dabei den prächtig gedeckten Tisch?» rief Mr. Clapper schmerzlich bewegt. «Der Volksgesundheitsdienst ist eine wirklich prächtige Sache. Verwaltungsmäßig, meine ich. Mit den Vorgängen zwischen Ämtern und Patienten habe ich naturgemäß nichts zu tun. Wie ich meinen zahlreichen Hilfskräften stets zu sagen pflege: Mögen die anderen arbeiten — wir aber haben die Aufgabe, ihre Arbeit in die richtigen Bahnen zu lenken.»
    Sir Lancelot knurrte abermals.
    «Ich bin kein frommer Mensch.» Mr. Clapper setzte ein verträumtes Lächeln auf. «Aber

Weitere Kostenlose Bücher