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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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ist, bei aller Achtung, vollkommen falsch, Harold.» Ron starrte ihn in seiner offenen, nachdrücklichen Art über den Tisch hinweg an. «Wir leben in einer Demokratie. Jedermann hat seine Rechte —»
    «Welche, von jedermann ausgeübt, unsere und jede andere Demokratie der Welt auflösen würden», unterbrach ihn Jenny.
    Ron richtete seine blauen Augen auf sie. «Deine Ansichten sind typisch für deine Partei, die nicht so sehr an Rechte als an Vorrechte glaubt.»
    «Wohingegen deine an gerechte Anteile aller - am Elend glaubt», gab Jenny zurück.
    «Ich glaube, wir sind übereingekommen, Politisches bei unseren Zusammenkünften auszuschließen», schaltete sich Sir Lancelot ein. «Sonst bringen wir möglicherweise die Welt in Ordnung, während das Heilige Grab in Stücke zerfällt.»
    «Schöner Morgen heute», bemerkte Harold Sapworth mit einem Blick durch das Fenster. «Wenn Sie jetzt den ersten Wurf hätten, Sir Lancelot, was würden Sie tun?»
    «Den Ball schlagen. Als Vorsitzender hingegen rufe ich diese Sitzung bezüglich des Bauzustands des Heiligen-Grab-Hospitals zur Ordnung -»
    «Ah! Ich habe die Lösung.» Mr. Clapper schnalzte mit den Fingern. Alle blickten ihn erwartungsvoll an. «Das Rundschreiben, in das der Einsturz von Operationssaaldecken fällt, war HM (65) 28, Geplante Vorbeugungsmaßnahmen .»
    «Wahrscheinlich haben Sie auch eins in Ihrem Büro, das sich auf die Posaunen des jüngsten Gerichtes bezieht», sagte der Dean gereizt. «Aber das wird ebensowenig nützen.»
    Mr. Clapper warf seine dicken Lippen auf und begann auf seinem Notizblock Eintragungen zu machen, als handelte es sich um das Todesurteil des Dean, verschärft durch etliche Abweichungen in der Prozedur.
    «Als Patient mit kürzlich aus erster Hand erworbenen Erfahrungen», erklärte Ron, «kann ich Ihnen versichern, daß der Bauzustand des Hospitals — wiewohl zugegebenermaßen reparaturbedürftig, aber sogar das Pawlow-Institut in Leningrad kann man nicht als vollkommen bezeichnen - seinem Zweck, den Menschen die Behandlung zu geben, die sie verdienen, durchaus angemessen ist.»
    «Das Heilige-Grab-Hospital ist nicht einmal geeignet, kranke Tiere aufzunehmen», wies ihn Jenny scharf zurecht. «Ich für meine Person würde lieber im Hundeheim von Battersea liegen.»
    «Mit euren Privatversicherungen würde sich deine Klasse kaum in einer der beiden Anstalten betreuen lassen.»
    «Lancelot, kannst du diese Diskussion nicht besser unter Kontrolle bringen?» fragte der Dean. «Ich muß mittags wegen einer wichtigen geschäftlichen Unterredung im West End sein.»
    «Privatpraxen sollten subventioniert, nicht verpönt werden», konterte Jenny. «Es ist die einzige Möglichkeit, unsere im Lande ausgebildeten Ärzte davon abzuhalten, nach Kalifornien zu fliegen, und alle anderen, von Kalkutta hierherzufliegen.»
    «Du findest also, daß die Art der medizinischen Betreuung - ob man jetzt oder nie behandelt wird, ob in Komfort oder Verwahrlosung, vom Arzt, den man wählt, oder von dem, den man kriegt, ob man also am Leben bleibt oder stirbt — nur davon abhängt, wieviel man zahlen kann?» fragte Ron verächtlich.
    «Die Medizin ist eine viel zu bedeutende Tätigkeit, als daß sie durch Idealismus gestört werden dürfte», klärte ihn Sir Lancelot auf. «Zur Ordnung, bitte. Ich glaube, ich kann alle Anwesenden früher entlassen, als Sie ahnen.»
    «Auf mich brauchen Sie keine Rücksicht zu nehmen, Sir Lancelot», sagte Harold. «Ich fühle mich hier sauwohl. Ich sitze lieber hier herum, als Wäschesäcke zu schultern.» Er schaute auf seine Uhr. «Wann ist denn Kaffeepause?»
    «Darf ich eine Minute lang reden, ohne unterbrochen zu werden?» sagte Sir Lancelot mit einer gewissen Schärfe. «Knapp vor unserer Sitzung hat Mr. Clapper hier in seiner gewohnten machtvollen Einbildungskraft den Volksgesundheitsdienst mit der christlichen Religion verglichen. Ich bin kein Theologe und sehe im Volksgesundheitsdienst lieber eine buntgemischte Flotte, kommandiert von Admiralen, die noch nie in ihrem Leben zur See gefahren sind. Einige Schiffe sind kampfmäßig ausgerüstet. Die meisten sind noch seetüchtig. Andere, wie zum Beispiel das Heiligen-Grab-Hospital, sind dahintreibende, verrottende, rattenverseuchte, verpestete Wracks, deren Besatzung bis zur Brust im Bilgenwasser und vor der Meuterei steht.»
    «Hört, hört», erwärmte sich Harold. «Wie kann man erwarten, daß die Burschen auf ihre Arbeit stolz sind, wenn sie noch immer den

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