Doktor auf Abwegen

Guy’s Hospital.» Die zwei jungen Ärzte waren beeindruckt. «Man hat mir dort die Mandeln herausgenommen.» Big Bens Glockenspiel ertönte. «Ach, diese Patienten! An Montagvormittagen geht’s zu wie am ersten Tag der Ausverkäufe. Nichts trägt mehr zu den Kopfschmerzen einer Hausfrau bei als die Aussicht auf fünf Tage, die sie allein mit ihren Kleinen verbringen muß.»
    «Sexy-Schneewittchen kennt sich aus», murmelte Freddie, als Cindy zur Haustür eilte.
    «Glaubst du, daß es hier ein Tierleben gibt?» fragte Pip, den Kopf in den üppigen Grünpflanzen versteckt, die eine Zimmerecke bis hinauf zur Decke füllten.
    «He, schau dir das an», rief Freddie, der ein Wandschränkchen aufgerissen hatte, eine Imitation im Stil Jakobs I., «Gin, Whisky, Wodka, Portwein, Eierflip... ja sogar gefüllte Oliven und eingelegte Zwiebelchen. Wie in den alten Tagen», sagte er mit leuchtenden Augen, «als wir miteinander als Studenten in dieser scheußlichen Bude hausten.»
    «Und von Bohnen, Sardinen und Marmeladenbrötchen lebten», stimmte Pip lächelnd ein. Er griff nach einem pausbäckigen Sängerknaben, dessen wehendes Chorhemd einen handlichen Aschenbecher bildete. «Aber hast du nicht auch selbst hier gearbeitet, Freddie?» erinnerte er sich. «Nach dieser Abschiedsparty im St.-Swithin wurdest du doch chirurgischer Turnusarzt im Heiligen Grab.»
    «Eine Zeitlang.» Freddie ließ sich in einen Plastikstuhl mit verstellbarer Rückenlehne fallen, gegenüber dem Farbfernseher, auf dem Büsten von Mozart und Schubert standen. «Jetzt brauchen wir nicht mehr von Bohnen und Marmeladenbroten zu leben. Ich habe geheiratet.»
    «Nein!»
    «Die Ehe tritt an uns alle heran, wie der Tod.»
    «Weiß ich. Sie ist auch an mich herangetreten.»
    «Aber nein? Na schön! Ich heiratete eine Heilgymnastin», berichtete Freddie.
    Pip kratzte sich am sonnenverbrannten Kinn. «Interessant.»
    «Wieso?»
    «Weil...weil sie sich auf eine gründliche, entspannende Massage verstehen dürfte», erklärte Pip vage. «Das muß nach einer langen Tagesarbeit recht angenehm sein.»
    «Dawn arbeitet eigentlich nicht richtig in Soho - warum bist du aufgesprungen?»
    «Dawn. Ein ungewöhnlicher Name.»
    «Findest du?» Freddie war ein nüchterner, sachlicher Arzt, der die Gedanken seines akademischen Freundes Pip manchmal so schwer erhaschen konnte wie Schmetterlinge.
    «Meine Frau heißt Evangelina, wird aber von allen Eva genannt.»
    Freddie gab es einen Ruck. «Du hast sie in Kenia kennengelernt?»
    Pip nickte.
    «Ausgezeichnet.»
    «Sie war gerade erst aus England gekommen.»
    «Ah!»
    «Sie fand am Gesundheitsamt von Nairobi einen Job als Statistikerin.»
    Freddie sprang aus seinem Lehnstuhl und begann auf dem Nylonbelag nervös hin und her zu gehen. «Statistikerin? Muß einen hellen Kopf haben.»
    »Eva hat einen hellen Kopf.»
    «Ich weiß.»
    «Aber du hast sie doch noch nie gesehen...»
    «Will sagen, wenn sie Statistikerin ist, muß sie doch wohl wirklich einen hellen Kopf haben.»
    Pip kratzte sich neuerlich am Kinn. «Wie lang bist du nun verheiratet?»
    «Seit einigen Jahren.»
    «Ich auch. Wo ist deine Frau jetzt?»
    «Kommt mit meinem Gepäck im Jaguar nach. Ich mußte schon zur Morgensprechstunde hiersein. Und wo ist die deine?»
    «Kommt im Rover ihrer Eltern nach. Ich mußte direkt vom Flughafen hierher.»
    Freddie starrte ihn bedeutsam an. «Dieser Monat könnte ein mordsmäßiger Spaß werden.»
    «Warum nicht? Wir haben ein herrlich komfortables Haus, Riesenmengen Alkohol und, wie ich glaube, nicht allzuviel Arbeit. Die halbe Einwohnerschaft dieses Ortes wird sich wie Würstchen auf unhygienischen Mittelmeerstränden braun braten lassen.»
    «Ich bin überzeugt, die beiden Mädel werden prächtig miteinander auskommen.»
    «Das sollten sie. Sie haben das faszinierendste Gesprächsthema der! Welt —»
    «Uns beide!» riefen sie gleichzeitig, brachen plötzlich in Lachen aus und schlugen einander wieder auf die Schultern.
    «So, meine Herren.» Cindy kam durch die Tür zu den Sprechzimmern raschen Schrittes in die Wohndiele, zwei weiße Mäntel überm! Arm. »Zwei Fälle liegen bereits behandlungsbereit da. Eine rheumatische Arthritis des Ellbogengelenks, wird mit intraartikularen Injektionen von 50 Milligramm Cortison behandelt, und eine normale Akne, die unter ultravioletter Bestrahlung nett zurückgeht.»
    «Sie sprechen ja schon wie wir Alten», sagte Freddie anerkennend Und entnahm seiner Tasche, die auf dem Kaffeetisch aus