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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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während arme Hunde wie unsereiner pudelnaß auf Streikposten stehen. Dann aber wollen die Herrschaften zeigen, daß ihnen die Interessen der Arbeiter fast ebensosehr am Herzen liegen wie ihre eigenen, steigen in ihre Autos, hauen einen Polizisten auf den dritten Knopf von unten und werden so Märtyrer.»
    «In meinem Alter werde ich nicht eine kriminelle Laufbahn einschlagen, und schon gar nicht an einem so unfreundlichen Nachmittag.»
    «Weiter nichts dabei, wenn Sie mich fragen. Sobald Sie gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt werden, könnte es bereits zu regnen aufgehört haben», fügte er tröstend hinzu.
    «Kommen Sie, Genosse Sapworth», sagte Ron. «Wenn wir uns beeilen, erwischen wir noch den Bus.»
    Harold setzte ihm nach, drehte sich dann aber um und drückte Sir Lancelot einen durchweichten Zettel in die nasse Hand. «Ein glühheißer Tip von meinem Bruder für Kempton Park.»
    Sir Lancelot stand allein da, umgeben von vier Polizisten.
    Er sah sich seine Aufzeichnungen an. Die erste, völlig durchtränkte Seite war unleserlich. Er hatte zwar noch den Lautsprecher, verließ sich aber lieber auf die Macht der menschlichen Stimme.
    «Mitbürger», versuchte er es nochmals mit Seite zwei, den Schirm in der Hand. «Der verstorbene Bertrand Russell sah im Pragmatismus eine in wesentlichen Punkten von den großen Systemen unserer theoretischen Schule abweichende praktische Weltanschauung. Man denke an Aristoteles, Hume, Berkeley, Kant und so weiter. Die Pragmatiker, beginnend bei den Vorstellungen des Amerikaners John Dewey, erachten reines Wissen als ein Werkzeug in den Händen der Menschheit -ja, was ist?» fuhr er den Polizeisergeanten an, der mit tropfnassem Helm vor ihm stand.
    «Wenn ich so frei sein darf, Sir, war erstens Dr. John Dewey nicht der Urheber der pragmatischen Philosophenschule. Er war, wenn ich mich so ausdrücken darf, mehr ihr Propagandist. Als ihr eigentlicher Vater könnte William James bezeichnet werden — 1842 bis 1910 —, ein Psychologe an der Harvard Universität, Sir —»
    «Das weiß ich», gab Sir Lancelot bissig zurück.
    «Dessen bin ich sicher, Sir. Es ist eins meiner Fächer an der Volkshochschule. Wie Sie wissen werden, schrieb William James die grundlegenden Prinzipien des Pragmatismus C. S. Pierce zu —»
    «Haben Sie etwas dagegen, wenn ich in meiner Rede fortfahre?» sagte Sir Lancelot schneidend und sah ihn böse durch die regennasse Brille an. «Danke. In den unsterblichen Worten des Philosophen Jeremy Bentham:     Glück für die größte Zahl von Menschen—> was zum Teufel wollen Sie jetzt schon wieder?»
    «Komisch, Sir, aber ein falsches Zitat jagt mir Schauer über den Rücken. Ein verständlicher Irrtum, Sir», räumte er großmütig ein, «weil sich die Nützlichkeitsdoktrin durch sämtliche Schriften Benthams zieht. Aber wenn Sie sich erinnern wollen, Sir, ist es bereits Ihr zweites falsches Zitat innerhalb von zehn Minuten.»
    «Auch ich habe eine Universität besucht», sagte Sir Lancelot eisig. «Als Master der Chirurgie der Universität Cambridge lege ich kaum Wert darauf, mich bei strömendem Regen ständig vom Teilnehmer eines Volkshochschulkurses korrigieren zu lassen.»
    Der Sergeant faßte ihn, schon weniger liebenswürdig, ins Auge. «Aha. Sie sehen hochmütig auf uns Leute herab, die wir unsere Kenntnisse mühsam mit den Fingern aus den akademischen Kiesgruben scharren müssen?»
    «Ich verachte Leute, die pedantisch andere Menschen in der Grammatik, in Zeitangaben oder Zitaten korrigieren, weil ihr Geist im allgemeinen ebenso klein ist wie der Schnitzer, den sie aufs Korn nehmen. Kann ich wieder auf meinen Platz zurück? Wie Jeremy Bentham wiederholt sagte —»
    «Sir, es war Francis Hutcheson, 1694 bis 1747.»
    «Können Sie, verdammt noch mal, nicht den Mund halten?» brüllte Sir Lancelot, zerknüllte die Seiten seiner Rede und schleuderte sie dem Sergeanten ins Gesicht.
    «Tätlicher Angriff auf einen Polizeioffizier», sagte der Sergeant. «Schön. Kommen Sie mit.»
     

12
     
    «Was gibt’s zum Abendessen, Darling?» Fred trat in die Wohndiele der Apricot Avenue und warf seinen weißen Mantel über den Strohesel. Es war am darauffolgenden Montag, Fred hatte gerade seine Abendsprechstunde beendet.
    «Du kriegst ein Gulasch à l’hongroise, Liebster», sagte Eva.
    «Oh, großartig. Deine Schmorgerichte sind immer köstlich.» Freddie küßte seine Fingerspitzen. «Unüberbietbar an

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