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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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falsch ausgelegt werden. Wir wollen doch kein unnötiges Aufsehen erregen, nicht wahr? Jedermann glaubte, die Blasphemie-Verordnung sei so tot wie Bischof Sacheverell, und plötzlich, wuppdich!, hatte sie bei Gericht wieder Geltung.»
    «Ich beginne nochmals.»
    «Ich halte es auch für besser, Sir.»
    «Mitbürger -»
    «Genosse Spratt», sagte Ron, der dicht neben ihm stand.
    «Wer? Ja? Was ist?»
    «Warum halten nicht Sie den Regenschirm und ich die Rede? Ich habe einige Erfahrung in der Kunst der freien Rede. In manchen Teilen von Spratt’s Bottom bin ich als regelrechter Aufrührer bekannt.»
    «Ich will keinen Aufruhr erregen. Und halten Sie bitte den Schirm gerade. Ich kann’s aushalten, wenn mir der Regen durch den Kragen auf die Wirbelsäule oder das Brustbein rinnt, sehe aber nicht ein,. warum ich beides gleichzeitig ertragen soll.»
    Es hatte noch heftiger zu regnen begonnen. «Mitbürger», setzte Sir Lancelot von neuem an. Er hatte das Gefühl, schon ein Leben lang unter Wasser zu stehen. «Freiheit, die in keinem anderen Land gedeihen will, Freiheit, ausschließlich Vorrecht brit’scher Untertanen—»
    «Entschuldigen Sie, Sir», sagte der Polizeisergeant.
    Sir Lancelot bellte ihn an: «John Milton sagte das, aber auch er ist nicht anwesend.»
    «Lassen Sie nur bitte diese Autos ausfahren. Dann haben Sie mehr Platz.»
    Der Sergeant gab seine Zeichen. Einer der Fahrer beugte sich aus dem Fenster und schrie Sir Lancelot an: «Versuchen Sie doch zur Abwechslung eine anständige Ganztagsarbeit zu verrichten, Sie fauler langhaariger marxistischer Parasit.» Eine Frau, der das Wasser vom Plastikhut herunterlief, fragte ihn nach dem Weg zum Klo.
    «Vorwärts, Sir, fahren Sie fort», sagte der Sergeant munter. «Aber geben Sie acht, daß Sie nicht überfahren werden.»
    Sir Lancelot fragte lauernd: «Wie erhalten Sie sich nur bei so guter Laune?»
    «Ich, ich werde dafür bezahlt, hier zu stehen. Würde mich Kopf und
    Kragen kosten, wenn ich’s nicht täte, nicht? Und bitte um Verzeihung, Sir. Es war nicht Milton, der diese Worte über die Freiheit sagte. Es war Dryden. Kommt in der Threnodia Augustalis vor.»
    Sir Lancelots feuchter Bart sträubte sich. «Sie scheinen ganz besonders gut informiert zu sein.»
    «Eines meiner Fächer, Sir. In der Volkshochschule. Fahren Sie bitte fort, Sir.»
    «Ich hau ab», sagte Abdul. «Mir ist es scheißegal, ob das Heilige Grab offenbleibt oder nicht. Hab’ sowieso einen Job in Aussicht. Streik der Busfahrer.»
    «Ich geh auch», sagte Francisco, mit den Zähnen klappernd. «Wenn’s schon eine Revolution geben soll, möcht’ ich sie an einem schönen Tag.»
    «Sapworth», brüllte Sir Lancelot. «Ist dies die Loyalität, die Sie von Ihren Mitgliedern voraussetzen? Wenn ich schon mit seltsamen Bettgenossen bekannt gemacht werden muß, erwarte ich nicht, daß sie abspringen und mich bei dieser Kälte im Stich lassen. Wo ist die berühmte Solidarität der Arbeiterklasse geblieben?»
    «Oh, bei den beiden beginnt die Solidarität erst, wenn’s um Hals und Kragen geht.» Harold schielte auf den ungeheuer ergiebigen Himmel. «Könnt’ man fast als Wasserfall bezeichnen, was? Gehen wir nach Hause. Vielleicht erwischen wir noch das Ende vom Cupspiel.»
    Sir Lancelot zischte ihn wütend an: «Ich gehe nicht nach Hause. Ich werde meine lebenslang geübte Selbstdisziplin aufgeben und in den Straßen randalieren. Ich trete nicht gleich beim ersten Schuß den Rückzug an.»
    «Niemand findet es der Mühe wert, auf uns zu zielen», sagte Ron. «Auch ich gehe.»
    «Nein, das werden Sie, verdammt noch mal, nicht tun! Wer wird jetzt meinen Regenschirm halten?»
    «Hören Sie, Genosse Spratt, der ganze Protest ist ein Versager, wie Kornilows Kampfansage an Kerenski im Jahr 1917 -»
    «Wenn Sie rasch Erfolg haben wollen, Chef, lassen Sie sich arretieren», schlug Harold vor.
    «Ein geradezu schändliches Ansinnen, Sapworth.»
    «Ist es nicht. Bin schon als kleiner Knirps bei solchen Demos gewesen. Eine gute Art, Kumpel kennenzulernen und ein bißchen Freiluftübungen zu machen. Jetzt hab ich ja so was satt, man trifft nicht mehr dieselben Burschen. Sie nehmen sich viel zu ernst, wahrscheinlich weil der Mittelstand dabei mitmischt.» Er blickte Ron,an, der aber zwischen aufgeschlagenem Ölhautkragen und Hutkrempe unsichtbar blieb. «Aber schauen Sie nur, was die Abgeordneten und ähnliche Kerle tun.
    Sie sitzen auf ihren Hintern, trinken Whisky und glotzen in die Flimmerkiste,

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