Doktor auf Abwegen
gemusterte Kamingitter gewandt, stand er da und schlürfte seinen Whisky.
«Ihr mit euren reizenden und gut zu euch passenden Frauen habt es ja leicht», erklärte er großmütig. «Aber die Ehe ist nicht nur eine Sache gegenseitigen Vertrauens zwischen Mann und Frau. Sie ist eine Institution, welche die gesamte Gemeinschaft angeht. Das ist es ja, weshalb ich die vorstädtische Praxis des Frauentauschs so lebhaft mißbillige. Sie ist nicht nur unhygienisch, sondern es schwächt die gesellschaftliche
Struktur, wenn Männer ihre Frauen zu tauschen beginnen. Außerdem ist dieser Brauch dann bei Cocktail-Parties sehr verwirrend.»
«Das grassiert zu dieser Jahreszeit», bemerkte Freddie unbehaglich.
«Wieso man in einem Ort wie Spratt’s Bottom auf Frauentausch verfallen kann, geht allerdings über meinen Verstand», fuhr Sir Lancelot fort. «Sämtliche Frauen sind einander in Aussehen und Konversation derart ähnlich, daß sie wahrscheinlich im Bett ebensoschwer zu unterscheiden sind wie am Telefon.»
«Noch einen Drink, Sir?» drängte Pip ihn.
«Danke.»
Pip füllte die drei Gläser nach. Freddie begann mit Sir Lancelot über Kricket zu reden, während er sich im Geist mit den möglichen Gefahren dieses Abends beschäftigte. Keine Schwierigkeiten, entschied er. Ihre Vierergruppe war nunmehr so fest gepaart, wie Sir Lancelot annahm. Die Geschichte der vergangenen zwei Jahre hatten sie im Sinne Orwells «umgeschrieben». Freddie war so gut wie überzeugt, daß sein Leben mit Eva eigentlich nie eine Unterbrechung erlitten hatte. Eva war unverändert geblieben wie ihr Nagellack, überlegte er wohlgefällig, als sie mit einem Tablett voll Gläsern und Besteck unter dem maurischen Bogen auftauchte.
«Da es ein so schöner Abend ist, Sir Lancelot, dachte ich, wir sollten bei Gaskerzenlicht im Patio speisen. Ich biete Ihnen ein Gulasch. Hoffentlich vertragen Sie Paprika?»
«Nicht einmal der römische Kaiser Heliogabal hat in so köstlichen Speisen geschwelgt, wie sie von dieser Dame kredenzt werden», erklärte Sir Lancelot schmelzend. «Es setzt mich in Erstaunen», fuhr er fort, während Pip ihm sein Glas reichte, «wie Ihr Gatte und Sie es zustande bringen, so beneidenswert schlanke Figuren zu bewahren.»
Pip sagte lächelnd: «Wenn Sie schon von Evas Figur sprechen, muß ich gestehen, daß sie einen kleinen Fehler hat. Evas Appendixnarbe gehört nicht zu Ihren größten Meisterwerken, Sir Lancelot, das muß ich schon sagen. Aber natürlich hatte ja auch Leonardo da Vinci seine schlechten Tage. Man kann nicht jeden Nachmittag eine Mona Lisa schaffen.»
Sir Lancelot runzelte die Stirn. «Wovon reden Sie da?»
«Von Evas Appendixnarbe.» Pip lächelte schelmisch, während er sich fragte, wie weit er gehen könne. «Darf ich mich folgendermaßen ausdrücken, Sir: Sie pflügten eine tiefe Furche, statt einen feinen Saum zu nähen.»
«Mein lieber Chipps, Sie gehen, scheint’s, in einem Zustand chronischer Verwirrung durchs Leben. Ich habe nie und nimmer den Appendix dieser Dame entfernt.»
«Die Möglichkeit, daß auch Sie sich einmal irren könnten, kommt Ihnen nie in den Sinn, Sir?» fragte Pip etwas energischer.
«Nein. Weil ich mich nämlich so selten irre.»
«Ei, wirklich, Sir?» Pip faßte ihn fest ins Auge. «Eines der allerersten Dinge, die Eva mir je sagte, war, daß Sie ihr den Appendix entfernt hätten. Als Privatpatientin in der Klinik. Sie sagen doch, daß Sie nie ein Gesicht oder einen Unterleib vergessen?» Sir Lancelot nickte. «Dann lassen Sie mich Ihr Gedächtnis auffrischen.»
Während er sein Glas auf Evas Tablett abstellte, lüftete Pip mit der einen Hand ihren Rock, zog dann mit der anderen ihr Höschen herab und sagte: «Sehen Sie jetzt, was ich meine? Eine recht lange Inzision für eine Appendektomie — o du lieber Gott.»
Er ließ Evas Rock fallen. Mit hängenden Schultern stand er mitten auf dem orangeroten Acrylteppich. Während er sich langsam die Hände rieb und knallrot anlief, zwang er ein verzerrtes Lächeln auf seine Lippen.
«Haben Sie schon diese spanische Weinflasche gesehen, Sir?» erkundigte sich Freddie und langte nach dem marmorierten Kaffeetischchen aus Plastik. «Wußten Sie, daß sich die Spanier den Wein direkt in den Mund schütten, ohne daß ein Tropfen ihre Lippen berührt?»
«Also wirklich, Chipps —» Sir Lancelot starrte ihn, das Glas in der Hand, an. «Ich weiß, daß die Studenten von St.-Swithin sich wie ein Rudel brunftiger Hirsche benehmen
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