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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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mit dir zu besprechen. Holst du dir deine Sachen? Es ist kein Reden beim Zähneklappern.‹
    Saß einige Sekunden noch, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Und der Frost, von ihm her, dringt mich an, schneidend, daß ich mich schutzlos und bloß fühle davor in meinem leichten Anzug. So ging ich. Stehe tatsächlich auf und geh durch die nächste Tür zur Linken, wo mein Schlafzimmer ist (das andere ist weiterhin an derselben Seite), nehme aus dem Spind den Wintermantel, den ich in Rom trage an Tramontana-Tagen, und der hat mitkommen müssen, denn ich sonst nicht weiß, wo ihn lassen; setz auch den Hut auf, greife das Reiseplaid und kehre, so ausgerüstet, an meinen Platz zurück.
    Nach wie vor sitzt er an dem seinen.
    {328} ›Ihr seid noch da‹, sage ich, indem ich den Mantelkragen hochschlage und mir das Plaid um die Kniee schlinge, ›selbst nachdem ich gegangen und wiedergekommen? Das wundert mich. Denn nach meiner starken Vermutung seid ihr nicht da.‹
    ›Nicht?‹ fragt er wie geschult, mit Nasenresonanz. ›Wie denn nicht?‹
    Ich:
›Weil es höchst unwahrscheinlich ist, daß Einer sich hier am Abend zu mir setzt, deutsch redend und Kälte lassend, angeblich, um Geschäfte mit mir zu erörtern, von denen ich nichts weiß und nichts wissen will. Viel wahrscheinlicher ist, daß eine Krankheit bei mir im Ausbruch ist und ich den Fieberfrost, gegen den ich mich einhülle, in meiner Benommenheit hinausverlege auf eure Person und euch sehe, nur um in euch seine Quelle zu sehen.‹
    Er
, ruhig und überzeugend wie ein Schauspieler lachend: ›Was für ein Unsinn! Was für einen intelligenten Unsinn du redest! Es ist recht, was auf gut altdeutsch Aberwitz heißt. Und so künstlich! Eine gescheite Künstlichkeit, wie aus deiner Oper gestohlen! Aber wir machen hier doch keine Musik, augenblicklich. Außerdem ist es pure Hypochondrie. Bilde dir doch, bitte, keine Schwachheiten ein! Sei ein bißchen stolz und gib nicht gleich deinen fünf Sinnen den Laufpaß! Bei dir ist keine Krankheit im Ausbruch, sondern bist nach dem bißchen Anfall von der besten jugendlichen Gesundheit. Übrigens, pardon, ich möchte nicht taktlos sein, denn was heißt Gesundheit. Aber so, mein Lieber, bricht deine Krankheit nicht aus. Du hast keine Spur von Fieber, und ist gar kein Anlaß, daß du je welches haben solltest.‹
    Ich:
›Ferner, weil ihr mit jedem dritten Wort, das ihr sagt, euere Nichtigkeit bloßstellt. Ihr sagt lauter Dinge, die in mir sind und aus mir kommen, aber nicht aus euch. Ihr äfft den Kumpf nach mit Redensarten und sehet dabei nicht aus, als wäret ihr je in einer Universität auf einer Hohen Schulen ge {329} wesen und hättet neben mir auf dem Affenbänklein gesessen. Ihr sprecht vom armen Gentleman und von dem, dem ich Du sage, sogar von Solchen, die mir Du gesagt haben ganz unverdankt. Und von der Oper sprecht ihr auch noch. Woher solltet ihr denn das alles wissen?‹
    Er
(lacht wieder geübt und kopfschüttelnd, wie über eine köstliche Kinderei): ›Woher sollte ich? Aber du siehst doch, daß ich es weiß. Und daraus willst du zu deiner eigenen Unehre schließen, daß du nicht recht siehst? Das heißt doch wirklich alle Logik auf den Kopf stellen, wie man sie auf der Hohen Schulen lernt. Statt aus meiner Informiertheit zu folgern, daß ich nicht leibhaftig bin, solltest du lieber schließen, daß ich nicht nur leibhaftig, sondern auch der bin, für den du mich die ganze Zeit schon hältst.‹
    Ich:
›Und für wen halte ich euch?‹
    Er
(höflich vorwurfsvoll): ›Aber geh, das weißt du doch! Solltest dich auch nicht so verquanten, daß du tust, als ob du mich nicht schon lange erwartet hättest. Weißt doch so gut wie ich, daß unser Verhältnis denn doch einmal nach einer Aussprache drängt. Wenn ich bin – und das gibst du nun, denke ich, zu, – so kann ich nur Einer sein. Meinst du mit Wer ich bin: Wie ich heiße? Aber du hast ja all die skurrilen Necknämchen noch von der Hohen Schulen her im Gedächtnis, von deinem ersten Studium her, als du noch nicht die Hl. Geschrift vor die Tür und unter die Bank gelegt hattest. Hast sie alle am Schnürchen und magst darunter wählen, – ich habe ja fast nur solche, fast nur Necknämchen, mit denen man mir, so zu reden, mit zwei Fingern unter dem Kinn spielt: Das kommt von meiner kerndeutschen Popularität. Man läßt sie sich ja gefallen, die Popularität, nicht wahr, auch wenn man sie nicht gesucht hat und im Grund überzeugt ist, daß sie auf einem

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