Doktor Faustus
wäre, wenn auch sie in eine Hündin verwandelt würde, und wirklich den Auftrag erhält, den Schmachtenden herbeizuholen, damit er in Gottes Namen denn seine Lust kühle, so daß also die beiden auf Veranstaltung gottlosen Witzes den süßesten Ehebruch feiern.
Immer noch beneide ich Rüdiger darum, daß er diese Geschichte unserem Freunde zuerst in der Abtsstube vorlesen durfte, obgleich ich mir sagen muß, daß es, wenn ich es getan hätte, wohl nicht dasselbe gewesen wäre. Übrigens beschränkte sich sein Zutun zu dem künftigen Werk auf diese erste Anregung. Als es die Bearbeitung der Fabeln für die Puppenbühne, ihre Umformung ins Dialogische galt, versagte er sich der Zumutung aus Zeitmangel oder aus dem bekannten widerspenstigen Freiheitssinn, und Adrian, der's ihm nicht übelnahm, behalf sich, solange ich fort war, indem er sich selbst lockere Szenarien und ungefähre Wechselreden entwarf, worauf dann ich es war, der sie in Mußestunden rasch in ihre endgültige, aus Prosa und Reimverschen gemischte Form brachte. Dabei war nach Adrians Willen den Sängern, welche den agierenden Puppen ihre Stimmen leihen, ihr Platz unter den Instrumenten, im Orchester, einem sehr sparsam besetzten, aus Violine und Kontrabaß, Klarinette, Fagott, Trompete und Posaune nebst Schlagzeug für einen Mann und dazu einem Glockenapparat bestehenden Orchester, angewiesen, und mit ihnen ist ein Sprecher, der gleich dem testis des Oratoriums, die Handlung in Rezitativ und Erzählung zusammendrängt.
Am glücklichsten bewährt diese durchbrochene Form sich bei dem fünften, dem eigentlichen Kernstück der Suite, der {462} Geschichte »Von der Geburt des seligen Papstes Gregor«, einer Geburt, bei deren sündiger Ausgefallenheit es keineswegs sein Bewenden hat, während doch all die entsetzlichen Bewandtnisse des Helden nicht nur kein Hindernis sind für seine schließliche Erhebung zum Statthalter Christi, sondern ihn nach Gottes wundersamer Gnade geradezu besonders berufen und vorbestimmt dafür erscheinen lassen. Die Kette der Verwicklungen ist lang, und es erübrigt sich wohl für mich, die Geschichte des verwaisten königlichen Geschwisterpaars, von dem der Bruder die Schwester über Gebühr liebt, so daß er sie unbeherrschter Weise in mehr als interessante Umstände versetzt und sie zur Mutter eines Knaben von ausnehmender Schönheit macht, hier zu reiterieren. Es ist dieser Knabe, ein Geschwisterkind in des Wortes arger Bedeutung, um den alles sich dreht. Während sein Vater durch einen Zug ins Gelobte Land zu büßen sucht und dort seinen Tod findet, treibt das Kind ungewissen Schicksalen entgegen. Denn die Königin, entschlossen, einen so ungeheuerlich Erzeugten auf eigene Hand nicht taufen zu lassen, vermacht ihn samt seiner fürstlichen Wiege in einem hohlen Faß und übergibt ihn, nicht ohne ein unterrichtendes Schrifttäfelchen sowie Gold und Silber für seine Auferziehung hinzuzufügen, den Meereswogen, die ihn »am sechsten Feiertage« in die Nähe eines von einem frommen Abte geleiteten Klosters tragen. Dieser findet ihn, tauft ihn auf seinen eigenen Namen Gregor und läßt ihm eine Ausbildung zuteil werden, die bei dem leiblich und verstandesmäßig ausnehmend Begabten aufs Glücklichste anschlägt. Wie nun unterdessen die sündige Mutter, zum Bedauern des Landes, es abschwört, sich je zu vermählen – und zwar ganz offensichtlich nicht nur, weil sie sich als eine Entweihte, der christlichen Ehe Unwürdige betrachtet, sondern auch, weil sie dem verschollenen Bruder eine bedenkliche Treue wahrt; wie ein starker Herzog des Auslandes um ihre Hand wirbt, die sie ihm ver {463} weigert, worüber er so heftig ergrimmt, daß er ihr Reich mit Krieg überzieht und es erobert bis auf eine einzige feste Stadt, in welche sie sich zurückzieht; wie dann der Jüngling Gregor, da er seiner Entstehungsart innegeworden, zum Heiligen Grabe zu pilgern gedenkt und statt dessen in die Stadt seiner Mutter verschlagen wird, wo er von dem Unglück der Reichsverwalterin erfährt, sich zu ihr führen läßt und ihr, die ihn, wie es heißt, »genau betrachtet«, aber nicht erkennt, seine Dienste anbietet; wie er den grimmen Herzog erschlägt, das Land befreit und der erlösten Fürstin von ihrer Umgebung zum Gatten vorgeschlagen wird; wie sie sich zwar etwas ziert und sich einen Tag – nur einen – Bedenkzeit ausbedingt, dann aber, entgegen ihrem Schwure, einwilligt, so daß denn, unter großem Beifall und Jubel des ganzen Landes, die
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