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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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erklärte Rudolf. Er sei sicher, daß alle dem Tag ein vergnügtes Andenken bewahrten, ausgenommen wohl Schildknapp, der sich übernommen habe {631} und krank liege. »Er ist immer zu ehrgeizig in Damengesellschaft.« Übrigens habe er, Rudolf, keinen Grund zum Mitleid, da Rüdiger ziemlich impertinent zu ihm gewesen sei.
    »Er weiß, daß du Spaß verstehst.«
    »Tu' ich auch. Aber er hätte mich nicht noch zu frozzeln brauchen, wo schon Serenus mich so zugedeckt hatte mit seiner Königstreue.«
    »Das ist ein Lehrer. Man muß ihn dozieren und korrigieren lassen.«
    »Mit roter Tinte, ja. Im Augenblick sind mir alle beide höchst gleichgültig, – wo ich hier bin und du mir etwas zu sagen hast.«
    »Ganz recht. Und da wir von dem Ausflug reden, sind wir eigentlich schon bei der Sache, – einer Sache, in der du mich dir jetzt sehr verpflichten könntest.«
    »Verpflichten? Ja?«
    »Sage, was hältst du von Marie Godeau?«
    »Die Godeau? Die muß wohl jedem gefallen! Sie gefällt doch sicher auch dir?«
    »Gefallen ist nicht ganz das rechte Wort. Ich will dir gestehen, daß sie mich, seit Zürich schon, ernstlich beschäftigt; daß es mir schwer wird, die Begegnung mit ihr als bloße Episode aufzufassen; daß mir der Gedanke, sie nächstens wieder ziehen zu lassen, sie vielleicht niemals wiederzusehen, schwer erträglich ist. Mir ist zu Mute, als möchte und müßte ich sie immer sehen, sie immer um mich haben.«
    Schwerdtfeger blieb stehen und blickte dem, der so gesprochen, erst in das eine, dann in das andere Auge.
    »Wirklich?« sagte er, den Gang wieder aufnehmend, und senkte den Kopf.
    »Es ist so«, bestätigte Adrian. »Ich bin sicher, du bist mir nicht böse für das Vertrauen, das ich dir schenke. Eben darin besteht dieses Vertrauen, daß ich mich dessen versichert halte.«
    »Sei versichert!« murmelte Rudolf.
    {632} Und Adrian wieder: »Sieh alles menschlich an! Ich bin nachgerade in Jahren, nachgerade vierzig. Magst du als Freund mir wünschen, daß ich den Rest meiner Tage in dieser Klause verbringe? Ich sage, nimm mich als Menschen, über den es wohl kommen kann, daß er, mit einer gewissen Angst vor dem Versäumnis, vor dem Zuspät, nach einem wärmeren Heim, einer im vollständigsten Sinn des Wortes zusagenden Gefährtin, kurz, nach milderer, menschlicherer Lebensluft verlangt, – nicht nur um des Behagens willen, um weicher gebettet zu sein, sondern auch vor allem, weil er sich für seine Arbeitslust und -kraft, den menschlichen Gehalt seines zukünftigen Werkes Gutes und Großes davon verspricht.«
    Schwerdtfeger schwieg während einiger Schritte. Dann äußerte er gedrückt:
    »Viermal hast du jetzt ›Mensch‹ und ›menschlich‹ gesagt. Ich habe gezählt. Offenheit gegen Offenheit: es zieht sich etwas in mir zusammen, wenn du das Wort gebrauchst, wenn du es in Bezug auf dich selber gebrauchst. Es nimmt sich so unglaublich unpassend und – ja, und beschämend aus in deinem Munde. Entschuldige, daß ich es sage! War deine Musik unmenschlich bisher? Dann verdankt sie ihre Größe am Ende ihrer Unmenschlichkeit. Verzeih die einfältige Bemerkung! Ich möchte kein menschlich inspiriertes Werk von dir hören.«
    »Nein? Möchtest du das ganz und gar nicht? Und hast doch schon dreimal eines vor den Leuten gespielt? Hast es dir widmen lassen? Ich weiß, daß du es nicht darauf absiehst, mir Grausamkeiten zu sagen. Aber findest du es nicht grausam, mich wissen zu lassen, daß ich nur aus Unmenschlichkeit bin, was ich bin, und daß Menschlichkeit mir nicht zusteht? Grausam und gedankenlos, – wie ja Grausamkeit immer aus Gedankenlosigkeit kommt? Daß ich mit Menschlichkeit nichts zu tun habe, nichts zu tun haben darf, sagt mir Einer, der mich mit staunenswerter Geduld fürs Menschliche gewann und {633} mich zum Du bekehrte, Einer, bei dem ich zum erstenmal in meinem Leben menschliche Wärme fand.«
    »Es scheint ein vorläufiger Notbehelf gewesen zu sein.«
    »Und wenn es das gewesen wäre? Wenn es sich um eine Einübung des Menschlichen, um eine Vorstufe dazu gehandelt hätte, die dadurch, daß sie es war, nichts an Eigenwert verlöre? In meinem Leben war Einer, dessen beherztes Ausharren – man kann beinahe sagen: den Tod überwand; der das Menschliche in mir freimachte, mich das Glück lehrte. Man wird vielleicht nichts davon wissen, es in keine Biographie schreiben. Aber würde das seinem Verdienst Abbruch tun, die Ehre schmälern, die ihm insgeheim gebührt?«
    »Du weißt die Dinge sehr

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