Doktor Faustus
schmeichelhaft für mich zu wenden.«
»Ich wende sie nicht, ich stelle sie hin, wie sie sind!«
»Eigentlich ist ja nicht von mir die Rede, sondern von Marie Godeau. Um sie immer zu sehen, sie immer um dich zu haben, wie du sagst, müßtest du sie zur Frau nehmen.«
»Das ist mein Wunsch, meine Hoffnung.«
»Oh! Weiß sie von deinen Gedanken?«
»Ich fürchte: nein. Ich fürchte, ich verfüge nicht über die Ausdrucksmittel, ihr meine Gefühle und Wünsche nahezubringen, – besonders nicht in Gesellschaft anderer, vor denen den Kurschneider und Seladon zu spielen, mich denn doch etwas geniert.«
»Warum besuchst du sie nicht.«
»Weil es mir widersteht, sie direkt mit Geständnissen und Anträgen zu überrumpeln, deren sie sich dank meiner Unbeholfenheit wahrscheinlich noch nicht im geringsten versieht. Noch bin ich in ihren Augen einfach der interessante Einsame. Ich fürchte ihre Fassungslosigkeit und die – vielleicht voreilige – abschlägige Antwort, die daraus resultieren könnte.«
»Warum schreibst du ihr nicht.«
{634} »Weil ich sie damit vermutlich noch mehr in Verlegenheit setzen würde. Sie müßte antworten, und ich weiß nicht, ob sie ein Mensch der Feder ist. Welche Mühe hätte sie, mich zu schonen, wenn sie Nein sagen muß! Und wie weh täte mir die bemühte Schonung! Ich fürchte mich auch vor der Abstraktheit eines solchen Briefwechsels – sie könnte, wie mir vorkommt, meinem Glück gefährlich werden. Ungern denke ich mir Marie, allein, auf eigene Hand, unbeeinflußt von persönlichen Eindrücken, – ich möchte fast sagen: persönlichen Druckmitteln – Geschriebenes schriftlich beantworten. Du siehst, ich scheue den direkten Überfall, und den postalischen Weg scheue ich auch.«
»Welchen Weg siehst du also?«
»Ich sagte dir ja, daß du mir in dieser schwierigen Angelegenheit sehr wohltun könntest. Ich möchte dich zu ihr schicken.«
»Mich?«
»Dich, Rudi. Würde es dir so unsinnig vorkommen, wenn du dein Verdienst um mich – ich bin versucht zu sagen: um mein Seelenheil –, dies Verdienst, von dem die Nachwelt vielleicht nicht wissen, vielleicht auch wissen wird, – wenn du es voll machtest dadurch, daß du den Mittler abgibst, den Dolmetsch zwischen mir und dem Leben, meinen Fürsprecher beim Glück? Das ist eine Idee von mir, ein Einfall, wie er einem beim Komponieren kommt. Man muß immer von vornherein annehmen, daß so ein Einfall nicht vollkommen neu ist. Was ist den Noten nach ganz und gar neu! Aber so, wie es sich hier ergibt, an dieser Stelle, in diesem Zusammenhang und dieser Beleuchtung mag das Dagewesene doch neu, lebensneu sozusagen, originell und einmalig sein.«
»Die Neuheit ist meine letzte Sorge. Was du sagst, ist neu genug, mich zu verblüffen. Wenn ich dich recht verstehe, soll ich für dich bei Marie den Freiwerber machen, für dich bei ihr um ihre Hand anhalten?«
{635} »Du hast mich recht verstanden – und konntest mich kaum mißhören. Die Leichtigkeit, mit der du mich verstehst, spricht für die Natürlichkeit der Sache.«
»Findest du? – Warum schickst du nicht deinen Serenus?«
»Du willst dich wohl über meinen Serenus lustig machen. Offenbar belustigt es dich, dir meinen Serenus als Liebesboten vorzustellen. Eben sprachen wir von persönlichen Eindrücken, deren das Mädchen bei ihrem Entschluß nicht ganz entbehren sollte. Wundre dich nicht, daß ich mir einbilde, sie wird geneigter deinen Worten lauschen, als einem Werber so steifen Angesichts.«
»Nach Späßen, Adri, ist mir gar nicht zu Sinn, schon darum nicht, weil es mir selbstverständlich zu Herzen geht und mich gewissermaßen feierlich stimmt, welche Rolle du mir zuschreibst in deinem Leben, sogar vor der Nachwelt. Nach Zeitblom fragte ich, weil er soviel länger schon dein Freund ist –«
»Ja, länger.«
»Gut, also nur länger. Aber denkst du nicht, daß dieses ›Nur‹ ihm seine Aufgabe gerade erleichtern, ihn tauglicher dafür machen könnte?«
»Höre, wie wär' es, wenn wir ihn endlich beiseite ließen? Er hat nun einmal in meinen Augen mit Liebesdingen nichts zu tun. Du bist es, nicht er, dem ich mich anvertraut habe, der nun alles weiß, dem ich, wie man früher sagte, die geheimsten Blätter im Buche meines Herzens aufgeschlagen habe. Wenn du dich nun zu ihr aufmachst, laß sie auch darin lesen, erzähle ihr von mir, sprich gut von mir, verrate ihr behutsam die Empfindungen, die ich für sie hege, die Wünsche fürs Leben, die eins mit ihnen
Weitere Kostenlose Bücher