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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sind! Versuche sie sanft und heiter, auf deine nette Art, ob sie – nun ja, ob sie mich lieben könnte! Willst du? Du mußt mir ihr volles Ja nicht bringen, bewahre. Ein bißchen Hoffnung genügt durchaus zum Abschluß deiner Sendung. Bringst du mir soviel zurück, daß der Gedanke, mein Leben mit {636} mir zu teilen, ihr nicht ganz und gar zuwider, nicht ungeheuerlich ist, – dann kommt meine Stunde, dann will ich selber mit ihr und ihrem Tantchen reden.«
    Sie hatten den Rohmbühel zu ihrer Linken gelassen und gingen durch das Fichtenwäldchen, das dahinter liegt, und von dessen Zweigen es tropfte. Dann schlugen sie den Weg am Rande des Dorfes ein, der sie zurückführte. Ein und der andere Kätner und Bauer, dem sie begegneten, grüßte den langjährigen Gast der Schweigestills mit Namensnennung. Rudolf, nachdem man eine Weile geschwiegen, hob wieder an:
    »Daß es mir leicht fallen wird, dort gut von dir zu reden, wirst du mir glauben. Umso leichter, Adri, als du von mir so gut geredet hast vor ihr. Ich will aber ganz offen mit dir sein, – so offen, wie du mit mir. Als du mich fragtest, was ich von Marie Godeau hielte, war ich schnell mit der Antwort bereit, die müßte wohl jedem gefallen. Ich will dir gestehen, daß in der Antwort mehr lag, als ihr so ohne weitres anzuhören ist. Ich hätte dir's nie gestanden, wenn du mich nicht, wie du's altpoetisch ausdrücktest, im Buche deines Herzens hättest lesen lassen.«
    »Du siehst mich ehrlich gespannt auf dein Geständnis.«
    »Eigentlich hast du es schon gehört. Das Mädel – du magst den Ausdruck nicht – das Mädchen also, Marie, ist auch mir nicht gleichgültig, – und wenn ich sage: nicht gleichgültig, so ist damit wieder das Rechte noch nicht recht gesagt. Das Mädel ist das Netteste und Liebste, glaube ich, was mir an Weiblichkeit je vorgekommen ist. Schon in Zürich – ich hatte gespielt – ich hatte
dich
gespielt und war warm und empfänglich – hat sie's mir angetan. Und hier – du weißt, den Ausflug habe ich vorgeschlagen, und zwischendurch, das weißt du nicht, habe ich sie auch gesehen, ich habe mit ihr und Tante Isabeau in der Pension Gisella Tee getrunken, wir haben uns furchtbar nett unterhalten … Ich wiederhole, Adri, daß ich nur durch unser {637} heutiges Gespräch, nur um unserer gegenseitigen Offenheit willen darauf zu sprechen komme.« –
    Leverkühn hielt eine Pause ein. Dann sagte er mit einer Stimme, die eigentümlich und mehrdeutig schwankte:
    »Nein, das habe ich nicht gewußt. Von deinen Gefühlen nicht und nicht vom Tee. Ich scheine lächerlicher Weise vergessen zu haben, daß auch du von Fleisch und Blut bist und nicht in Asbest gewickelt gegen den Reiz des Holden und Schönen. Du liebst sie also, oder, sagen wir, du bist verliebt in sie. Nun aber laß mich dich eines fragen. Steht es so, daß unsere Absichten sich überkreuzen, daß du sie bitten wolltest, deine Frau zu werden?«
    Schwerdtfeger schien zu überlegen. Er sagte:
    »Nein, ich habe daran noch nicht gedacht.«
    »Nicht? Gedachtest du etwa, sie einfach zu verführen?«
    »Wie du sprichst, Adrian! Sprich nicht so! Nein, auch daran habe ich nicht gedacht.«
    »Nun, dann laß dir sagen, daß dein Geständnis, dein offenes und dankenswertes Geständnis, viel eher danach angetan ist, mich an meiner Bitte nur fester halten zu lassen, als daß es mich bestimmen könnte, davon abzustehen.«
    »Wie meinst du?«
    »Ich meine es in manchem Sinn. Ich habe dich zu diesem Liebesdienst ersehen, weil du dabei weit mehr in deinem Element bist, als, sagen wir, Serenus Zeitblom. Weil von dir ein Etwas ausgeht, das ihm fehlt, und das ich meinen Wünschen und Hoffnungen für günstig erachte. Dies ohnehin. Nun aber teilst du sogar meine Empfindungen in gewissem Grad, ohne doch, wie du mir versicherst, meine Absichten zu teilen. Du wirst aus eigener Empfindung sprechen – für mich und meine Absicht. Unmöglich kann ich mir einen berufeneren, erwünschteren Werber denken.«
    »Wenn du es in diesem Lichte siehst –«
    {638} »Glaube nicht, daß ich es nur in diesem sehe! Ich sehe es auch im Lichte des Opfers, und du kannst wahrhaftig verlangen, daß ich es so sehe. Verlang es nur! Verlang es mit allem Nachdruck! Denn das heißt, daß du das Opfer als Opfer anerkannt, es bringen willst. Du bringst es im Geist der Rolle, die du in meinem Leben spielst, in Erfüllung des Verdienstes, das du dir um meine Menschlichkeit erworben hast, und das der Welt vielleicht ein

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