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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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des theologischen Jungfernstandes!
    ›Die Jungfrauschaft ist wert, doch muß sie Mutter werden,
    Sonst ist sie wie ein Plan von unbefruchter Erden.‹«
    {200} Mit diesem Zitat aus dem »Cherubinischen Wandersmann« schloß der Brief, und als ich davon aufblickte, begegnete ich Adrians verschmitztem Lächeln.
    »Nicht schlecht pariert, was meinst du?« fragte er.
    »Keineswegs«, erwiderte ich.
    »Er weiß, was er will«, fuhr er fort, »und es ist ziemlich beschämend, daß ich es nicht so recht weiß.«
    »Ich denke, du weißt es auch«, sagte ich. Denn tatsächlich hatte ich in seinem eigenen Brief niemals eine wirkliche Ablehnung gesehen, – freilich auch nicht geglaubt, er sei aus »Ziererei« geschrieben. Das ist gewiß nicht das rechte Wort für den Willen, sich einen Entschluß, mit dem man umgeht, schwer zu machen, ihn mit Zweifeln zu vertiefen. Daß der Entschluß gefaßt werden würde, sah ich mit Bewegung voraus, und dem anschließenden Gespräch über unsere beiderseitige nächste Zukunft lag er schon als so gut wie gefaßt zum Grunde. Ohnedies schieden sich unsere Wege. Trotz starker Myopie war ich zum Militärdienst für tauglich befunden worden und gedachte, mein Dienstjahr jetzt einzuschalten; in Naumburg beim 3. Feld-Artillerie-Regiment wollte ich es absolvieren. Adrian seinerseits, der aus irgendwelchen Gründen, sei es wegen seiner Schmalheit oder seiner habituellen Kopfschmerzen halber, auf unbestimmte Zeit vom Dienst befreit war, hatte vor, einige Wochen auf Hof Buchel zu verbringen, um, wie er sagte, die Frage seines Berufswechsels mit seinen Eltern zu beraten. Dabei gab er aber die Absicht zu erkennen, es ihnen so hinzustellen, als handle es sich nur um einen Wechsel der Universität – gewissermaßen stellte er es vor sich selbst so hin. Er wolle, so würde er ihnen sagen, die Beschäftigung mit der Musik »mehr in den Vordergrund treten lassen« und daher die Stadt aufsuchen, in der der musikalische Mentor seiner Schülerzeit wirke. Nur daß er der Theologie absage, war dabei nicht ausgesprochen. Sich auch auf der Universität wieder einzu {201} schreiben und philosophische Vorlesungen zu hören, um in diesem Fach seinen Doktor zu machen, war in der Tat seine Absicht.
    Zum Winter-Semester-Beginn 1905 ging Leverkühn nach Leipzig.

XVI
    Daß unser Abschied kühl und gehalten in seinen Formen war, erübrigt sich wohl zu sagen. Kaum kam es dabei zu einem Ins-Auge-blicken, einem Händedruck. Zu oft in unserem jungen Leben waren wir auseinandergegangen und wieder zusammengetroffen, als daß der Händedruck dabei zwischen uns hätte üblich sein sollen. Er verließ Halle einen Tag früher als ich, den Abend hatten wir zu zweien, ohne Winfried-Leute, in einem Theater verbracht; am nächsten Morgen sollte er reisen, und wir trennten uns auf der Straße, wie wir uns hundertmal getrennt hatten, – wir wandten uns eben nach verschiedenen Seiten. Ich konnte nicht umhin, mein Lebewohl mit der Nennung seines Namens zu betonen, – des Vornamens, wie es mir natürlich war. Er tat das nicht. »So long«, sagte er nur, – er hatte die Redensart von Kretzschmar und benutzte sie auch nur spöttisch-zitatweise, wie er überhaupt für das Zitat, die erinnernde wörtliche Anspielung auf irgendetwas und irgendjemanden einen ausgesprochenen Geschmack hatte; fügte noch einen Scherz über die martialische Lebensepisode hinzu, der ich entgegensah, und ging seiner Wege.
    Er hatte ja recht, die Trennung nicht zu schwer zu nehmen. Spätestens übers Jahr, wenn meine militärische Dienstzeit abgelaufen, würde man da oder dort wieder zusammentreffen. Und doch war es gewissermaßen ein Abschnitt, das Ende einer Epoche, der Beginn einer neuen, und wenn er das nicht zu beachten schien, – ich machte es mir mit einer gewissen erregten Wehmut bewußt. Dadurch, daß ich in Halle zu ihm ge {202} stoßen war, hatte ich sozusagen unserer Schülerzeit eine Verlängerung gegeben; wir hatten dort nicht viel anders gelebt, als in Kaisersaschern. Auch die Zeit, da ich schon Student und er noch auf der Schule gewesen war, konnte ich nicht in Vergleich stellen mit der jetzt eintretenden Veränderung. Ich hatte ihn damals in dem vertrauten Rahmen der Vaterstadt und des Gymnasiums zurückgelassen und war alle Augenblicke dort wieder bei ihm eingekehrt. Erst jetzt, so schien es mir, lösten sich unsere Existenzen von einander ab, begann für jeden von uns das Leben auf den eigenen zwei Beinen, und ein Ende sollte es haben mit

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