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Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Titel: Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesboe
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strahlende Kristallleuchter und prunkvolle Deckenmalereien zu sehen waren. Von den vier Balkonen, einer an jeder Hausfassade, hingen Flaggen. Auf dem kopfsteingepflasterten, überdachten, in Scheinwerferlicht badenden Platz konnte Bulle nur einen Ausgang erkennen. Ein hohes, schwarzes Gittertor, das bis zum oberen Ende des Torbogens in der Mauer reichte. Und auf der anderen Seite, im flackernden Schein von vier Fackeln, sah er zwei Wachmänner in schwarzen Uniformen mit sehr merkwürdigen Kopfbedeckungen und noch merkwürdigeren Federpuscheln.
    Gregor steckte seinen Kopf neben Bulles aus dem Kanalrohr.
    »Wo um – hick! – Himmels Willen sind wir?«
    An dieser Stelle hätte Bulle natürlich antworten können: Sehe ich aus wie ein Oslo-Führer?, aber das tat er nicht. Unter anderem, weil er genau wusste, wo sie waren.
    »Sehen Sie die Wachmänner da drüben mit den komischen Mützen?«, flüsterte Bulle.
    Gregor nickte.
    »Das sind Gardisten. Wir befinden uns im Schloss.«
    »Du meinst …?«
    »Die Mondchamäleons sind in das Königsschloss von Norwegen eingezogen. Und wir sind auch drin. Verstehen Sie? Wir befinden uns in diesem Moment ganz in der Nähe von Präsident Hallvard Tenoresen.«
    »Hick!«
    »Schnell, sehen wir zu, dass wir irgendwo reinkommen!«
    »Doppel-hick!«
    Aber Bulle war bereits aus der Öffnung geklettert und huschte in den Schatten vor einer der Hausfassaden, wo er stehen blieb und sich umsah. Die einzige Tür, die er entdecken konnte, war direkt neben dem großen Tor, aber dort war es hell und dort standen die Wachen. Er sah sich die Fenster genauer an. Alle sahen sehr zu aus. Aber was war das für ein Geräusch? Musik? Eine der Balkontüren war nur angelehnt und von dort war eine metallische Stimme zu hören:
    Schickitieta juänai nou …
    »Der Balkon!«, flüsterte Bulle Gregor zu, der ihm widerstrebend gefolgt war. »Da müssen wir rauf!«
    »Müssen wir?«, schnaufte Gregor.
    »Sind Sie außer Puste?«, fragte Bulle. »Ich dachte, Sie wären ein Superfrosch.«
    Gregor wurde rot im Gesicht und zischte, so leise er konnte: »Hör mal zu, du Rotzlöffel! Ich bin mit dir auf dem Rücken unter halb Oslo rumgeschwommen und du fragst mich, ob ich außer Puste bin? Was glaubst du eigentlich, was man einem durchschnittlichen Superfrosch abverlangen kann?«
    »Dass er da hochhüpft«, sagte Bulle und zeigte auf den Balkon mit der roten Flagge mit dem goldenen Reichslöwen drauf.
    »Hör mal …«
    »Jetzt nicht schwächeln, Gregor, ich weiß, dass Sie das können. Sie haben schließlich auch fünfzig Meter ohne Sprungschanze geschafft!«
    »Ich fühle mich plötzlich so schlapp. Ich weiß eigentlich gar nicht …«
    Bulle begann, Gregor leise und rhythmisch anzufeuern: »Heja, Gregor, heja, Gregor …«
    Gregor stieß einen tiefen Seufzer aus. Dann ging er in die Knie und stieß sich ab. Er schoss nach oben. Fünf Meter. Ohne Anlauf. Neuer Weltrekord. Und exakt einen halben Meter zu wenig für den Balkon.
    Er landete und probierte es gleich noch einmal.
    Viereinhalb Meter.
    Landung und erneuter Satz, begleitet von verzweifeltem Stöhnen.
    Vier Meter.
    Danach sackte er erschöpft im Schatten zusammen und schnappte nach Luft. Der Versuch aufzustehen scheiterte, er blieb einfach liegen.
    Bulle beugte sich über ihn. »Stimmt was nicht, Gregor?«
    »Es ist die Musik!«, lallte er. »Das ist sie!«
    »Was reden Sie da?«, sagte Bulle.
    »Das singt Agnetha. Darum baue ich so ab.«
    Bulle lauschte. Die Stimme hinter der Balkontür klang kalt und emotionslos. Bulle glaubte, den österreichischen Akzent herauszuhören.
    Singä njusong Schicki-schita …
    »Sie müssen aber was auf die Reihe kriegen«, sagte Bulle.
    »Nix«, flüsterte Gregor Galvanius geschwächt und rollte sich zusammen, wobei er wie eine Waschmaschine im Schleudergang zitterte.
    »Hm«, sagte Bulle und dachte nach. Grub in seinem Hirn, bis er fündig wurde.
    »Perry hat Ihnen doch gefallen, oder?«, sagte Bulle.
    »Doch, ja …«
    »Okay. Sehen Sie den gelben Fleck da oben auf der Flagge. Das ist eine Spinne. Eine große, fette, gelbe, saftige …«
    »Butterspinne«, schmatzte Gregor.
    »Ja, genau, das ist eine Butterspinne, Gregor! Sieht sie nicht zum Anbeißen lecker aus? Läuft Ihnen dabei nicht das Wasser im Mund zusammen?«
    »Ja, ja, jetzt sehe ich sie auch. Oder halluziniere ich bloß? Ich bin so schlapp, Bulle.«
    »Das sind keine Halluzinationen, Gregor. Gregor!« Bulle gab ihm eine Backpfeife und Gregor riss die Augen wieder

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