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Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Titel: Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesboe
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ihnen war, der nachweislich von Perrys Faden gehalten werden konnte, und dass er es dank seiner geringen Größe vermutlich schaffen würde, sich durch die Gitterstäbe von Gregors Zellenfenster zu schieben.
    Darauf hatte Bulle die Balanceschuhe angezogen und war vorsichtig auf den Spinnfaden getreten.
    »Hier«, hatte Doktor Proktor gesagt, ihm die rosa Doppeldämpfer-Ohrenschützer und ein kleines Fläschchen mit der Aufschrift »Doktor Proktors Energiedrink mit mexikanischem Donnerchili. Extra stark« gegeben.
    Damit ausgestattet war Bulle dann losmarschiert. Bis er gesehen hatte, dass die Wachen am Tor plötzlich nach oben schauten.
    Womit wir wieder an dem Punkt wären, an dem Bulle reglos auf dem Faden steht und die Wache mit dem Schnurrbart einen Augenblick glaubt, oben in der Luft einen kleinen Jungen gesehen zu haben.
    Bulle holte tief Luft, als er erkannte, dass er nicht entdeckt worden war, und setzte seinen Weg in Richtung Gefängnisturm fort.
    Er hörte Musik. Eine bekannte Frauenstimme sang:
    Mammamia, hiaigoä gä-än
Majmaj, haokänaj resis tju …
    Und da – im Dunkel einer Schießscharte – sah er auch das Blinken von Perrys acht schwarzen Augen.
    Bulle schlich das letzte Stück weiter, sprang auf den Balkon, der um die Spitze des Turms herumführte, wartete, bis Perry auf seinen Kopf gekrabbelt war, und schob seinen Kopf durch die Gitterstäbe vor dem Fenster.
    Es war eine dunkle Zelle mit kahlen Steinwänden. Und dort – im Lichtschein des Mondes und einer einzelnen Kerze – sah er Gregor Galvanius. Er war mit eisernen Hand- und Fußschellen an die Wand gekettet. Abgesehen von einer langen Unterhose – die weiß oder annähernd weiß war – trug er keine Kleider. Sein magerer Oberkörper war bläulich weiß wie Sauermilch und sein ohnehin schon trauriges Gesicht sah mit den gelbbraunen Bartstoppeln und den blauschwarzen Rändern unter den Augen noch trauriger aus.
    »Gregor«, flüsterte Bulle.
    Keine Reaktion.
    »Gregor! Wir sind gekommen, um Sie zu retten!«
    Das Gesicht des armen Gregors hob sich langsam und starrte Bulle ausdruckslos an. Dann – als ginge ihm langsam Stück für Stück auf, dass es wirklich Bulle und kein Traum war – erhellte sich sein Gesicht. Bulle presste sich durch die Gitterstäbe und war – schwups! – in der Zelle.
    »Gucken Sie mal hier«, sagte er und reichte ihm die rosa Ohrenschützer. »Wir setzen Ihnen die hier auf und schon hören Sie die Musik nicht mehr. Und dann nehmen Sie einen Schluck hiervon …« Er schraubte den Deckel von dem Glas mit dem Stärkedrink. »Extra stark. Stark genug, damit Sie Hand- und Fußfesseln und die Beschläge der Tür sprengen können. Aber wir sollten uns beeilen, die anderen warten.«
    Er wollte Gregor gerade die Ohrenschützer aufsetzen, als sich dessen Gesicht plötzlich veränderte. Oder genauer gesagt: verwandelte. Denn direkt vor Bulles Augen wurde Gregor Galvanius’ Gesicht schlagartig kleiner. Kleiner und runder. Dann verschwanden die Bartstoppeln und die Ringe unter den Augen. Stattdessen bekam er Sommersprossen und eine kleine Himmelfahrtsnase. Und zu guter Letzt: Haare, die so ritzeratzerot waren, dass sie – soweit Bulle wusste – nur einem einzigen Jungen gehören konnten.
    Ihm selbst.
    Bulle stand da und starrte sein eigenes Spiegelbild an, das jetzt auch noch zu lachen begann. Als es den Mund öffnete, kamen spitze Zähne und eine hellrote Zunge zum Vorschein, die durch die Mundhöhle zuckte, während das Lachen so laut wurde, dass es sogar Agnetha übertönte. Als Bulle nach unten blickte, sah er durchlöcherte Strümpfe, aus denen krumme, schwarze Zehennägel herausragten. Ein langer, grau behaarter Schwanz wedelte auf dem Steinboden hin und her.
    »Uääähhh!«, rief Bulle
    »Hick!«, sagte Perry.
    »Doppe-Uuääähhh!«, schrie Bulle
    »Hihihihick!«, hörten sie aus einer anderen Richtung.
    Bulles lachendes, beschwanztes Spiegelbild trat zur Seite und gab den Blick auf den richtigen Gregor frei. Seine Augen waren halb geschlossen, als wäre er einer Ohnmacht nahe.
    »Ich habe auf deinen Besuch gewartet, mich schon ssehr auf dich gefreut«, sagte das Spiegelbild. Bulle erkannte die Stimme aus dem Schloss wieder. Das war der Chef persönlich. Jodolf Staler. Und wieder verwandelte sich das Gesicht und die Gestalt. Jetzt wurde es zu Hallvard Tenoresen, der eine bedauernde Miene auflegte: »Aber ich bin auch ein bissen traurig, weil unssere Bekanntssaft nur von kursser Dauer ist. Ihr beide werdet

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