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Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Titel: Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesboe
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kleiner werdenden Spirale bis ganz nach unten. »Bulle würde das Geländer nehmen.«
    Mit diesen Worten setzte sie sich rittlings auf das Geländer, lockerte ihren Griff und begann rückwärtszurutschen. Noch bevor sie in der ersten Kurve war, sah sie, wie Doktor Proktor Frau Strobe auf das Geländer half.
    Es ging rund und rund, schneller und schneller. Wände, Treppenstufen und Feuerschutztüren wirbelten an ihnen vorbei, und als Lise im Erdgeschoss auf dem Hosenboden landete, war ihr so schwindelig, dass sich alles um sie herum drehte. Als sie sich gerade aufgerappelt hatte, kam Frau Strobe. Rums.
    »Wo bleibt Doktor Proktor?«, fragte Lise und sah nach oben.
    Und da kam er. Langsam, die Beine fest um das Geländer gepresst. Er jammerte vor Schmerzen.
    »Nich do fest zusammenpress’n!«, rief Frau Strobe.
    Der Professor schien ihren Rat zu befolgen, denn plötzlich kam er angerauscht und – rums – lag er vor ihnen, während sich ein Gestank von verbranntem Hosenstoff breitmachte und er fieberhaft auf die Innenseite seiner Schenkel pustete.
    Lise hörte am oberen Ende der Treppe eine Tür schlagen und sah hoch. Weit über ihnen schoben sich ein paar Gesichter über das Geländer und blickten zu ihnen nach unten. Schwarze Gesichter, umrahmt von grauen Haaren. Gleich darauf hallten Schritte durch das Treppenhaus und eine Stimme rief: »Hosenssisser! Da sind sie! Zurück in den Fahrstuhl! Beeilt euch!«
    »Kommt!«, rief Lise und rannte auf die einzige Tür zu, die sie sehen konnte.
    Sie führte zur Rezeption, die voller Menschen war. Lise blieb aber nicht stehen, sondern rannte, gefolgt von Frau Strobe und dem Professor, durch die Schwingtüren nach draußen zur Haltestelle auf den Holbergs-Platz.
    »Die dind hinder uns!«, hörte sie Frau Strobe hinter sich keuchen.
    »Und sie holen auf«, hörte sie Doktor Proktor noch weiter hinten hecheln.
    Lise lief, so schnell sie konnte. Sie wusste, was sie tun musste, damit sie nicht als Waffeln endeten.
    Sie sprang hoch, segelte durch die Luft, landete auf dem Sitz eines MMBs – also eines Motorrades mit Beiwagen – klappte den Kickstarter nach unten und trat mit voller Wucht darauf, wobei sie Gas gab. Es startete nicht.
    Sie trat noch einmal.
    Nichts.
    Noch einmal.
    Nein.
    Sie hörte Frau Strobe in den Beiwagen stolpern. Und dann Doktor Proktor. Sie drehte sich um und sah niemanden. Aber sie hörte Schritte, das Kratzen langer, unglaublich hässlicher Zehennägel auf dem Asphalt. Und die getarnten Biester näherten sich schnell!
    Lise sprang hoch und landete mit voller Wucht auf dem Kickstarter.
    Vrooom!
    Sie hatte den Motor anbekommen, aber wie weiter? Sie hatte nie zuvor ein Motorrad gefahren.
    »Kuppeln und schalten!«, rief Doktor Proktor. »Kuppeln und schalten!«
    Du kannst mich mal kuppeln, dachte Lise und drehte an den verschiedensten Hebeln herum.
    Die Schritte näherten sich immer mehr, gleich waren sie da. Lise drückte und drückte und dann spürte sie, dass sich jemand hinter sie setzte und die Arme über ihre Schultern legte.
    »So.« Es war Doktor Proktor.
    Das Motorrad fuhr schlingernd vom Bürgersteig und schoss über die Straße davon.
    »Jetzt die Zunge ein bisschen weiter nach rechts«, flüsterte Bulle, der den Kopf so weit gedreht hatte, dass er Gregors bläuliche Froschzunge sah, die dieser zwischen den Gitterstäben der Zellentür entrollt hatte.
    »Ohing?«, stöhnte Gregor mit offenem Mund.
    »Nach rechts. Die Zunge muss jetzt um die Ecke, Göran sitzt irgendwo auf dem Flur.«
    »Ganich jo eingach!«, stöhnte Gregor.
    »Sie müssen es schaffen, das ist unsere einzige Chance!«
    Gregor stöhnte kraftlos. Schaffte es aber trotzdem, noch etwas mehr Zunge auszufahren. Es gelang ihm sogar, seine Zungenspitze um die Ecke zu schieben, wo sie aus ihrem Blickfeld verschwand.
    »Und dann tasten Sie sich vor«, flüsterte Bulle. »Der Schlüssel liegt bestimmt auf seinem Schoß.«
    »Au!«
    »A i o? Äh, ich meine, was ist los?«
    »I Chunge ich ang Gikker hängegiegen.«
    »Hä?«
    »Au! Au!«
    »Psst, Sie wecken ja Göran!«

    Im gleichen Augenblick erkannte Bulle, was Gregor ihm zu sagen versuchte. Die Zunge hing an dem eiskalten Eisen der Zellentür fest! Mit Grauen dachte Bulle an all die Male, bei denen er selbst der Versuchung nicht widerstehen hatte können, an eiskalten Laternenpfählen zu lecken, und anschließend festgehangen hatte. In solchen Situation gab es immer nur eine, höchst schmerzhafte Art, wieder los zu kommen – ein Ruck mit

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