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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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das Ticken sämtlicher Uhren im Laden hören konnte. »Das bedeutet, ihr könnt mit ihnen schwimmen gehen. Und baden. Zum Beispiel in einer Badewanne, nicht wahr?«
    »B-badewanne?«, fragte Bulle und wunderte sich, woher dieses plötzliche Stottern kam.
    »Ihr versteht gewiss, was ich meine, oder?«, fragte die Raspa und zwinkerte ihnen listig zu.
    »N-nein«, sagte Bulle. Verflucht, wollte das Stottern gar nicht mehr weggehen?
    Jäh richtete die Frau sich auf und steckte beide Uhren wieder ein. »Nein, ihr bekommt etwas Besseres. Einen Reisetipp.« Ihr heiseres Flüstern füllte den ganzen Laden: »Ihr müsst eines wissen: Nur der Tod – der Tod allein – kann die Geschichte neu schreiben.«
    »Nur der T-tod?«
    »Genau. Die Geschichte ist in Stein gemeißelt, und nur wenn du bereit bist zu sterben, kannst du die Schrift verändern. Also, lebt wohl, Kinder.« Die Raspa drehte sich um. Wie ein Geisterschiff glitt sie auf ihrem kreischenden Rollschuh durch den Laden und verschwand hinter dem orangefarbenen Vorhang.
    »L-l-l. . .«, stotterte Bulle.
    »Leben Sie wohl«, sagte Lise und zerrte Bulle zum Ausgang.

4 . Kapite l
Nach Paris!
    ise und Bulle gingen von Uhren-Langfrakk direkt zur Bushaltestelle am Rathausplatz. Eine Stunde später stiegen sie vorm Flughafen aus und betraten die gigantische, von Menschen wimmelnde Abflughalle. Sie stellten sich in die Schlange vorm Flugscheinschalter der Gesellschaft Air France. Während sie warteten, meinte Lise, inmitten von Stimmengesumme, klappernden Schuhen und Lautsprecherdurchsagen ein bekanntes Geräusch zu vernehmen. Das klagende Quietschen schlecht geölter Räder.
    Rasch drehte sie sich um, sah aber nichts als fremde Gesichter und umhereilende Menschen. Sie schnupperte nach dem Gestank von rohem Fleisch und alten Socken, konnte aber nichts entdecken. Wohl doch nur die Räder eines Rollenkoffers, dachte sie. Und schrak zusammen, als sich auf einmal ein harter Finger in ihren Rücken bohrte. Sie fuhr herum. Es war Bulle: »Beweg dein Klappergestell! Wir sind an der Reihe«, sagte er. Sie traten an den Schalter, hinter dem eine unglaublich schöne Dame mit unglaublich brauner Haut und unglaublich weißem Haar saß.
    »Womit kann ich dir helfen, meine Liebe?«, fragte sie.
    »Zwei Tickets nach Paris bitte«, sagte Lise.
    »Für dich und wen noch?«
    Die erboste Antwort kam von unter dem Rand des Schalters. »Na, für mich, für wen denn sonst!«
    Die Dame stand auf und blickte auf der anderen Seite hinunter. »Aha. Das sind dann genau dreitausendfünfhundert Kronen.«
    Lise legte das Geld hin. Die Dame zählte zunächst die zwanzig Hunderter, dann stutzte sie und zog eine Augenbraue hoch, als sie die beiden Tausender sah. »Soll das ein Scherz sein?«, fragte sie.
    »Ein Scherz?«, fragte Lise.
    »Ja, diese Tausender sind ungültig. Sie stammen...« Sie sah sie genauer an. »Aus dem Jahr neunzehnhundertundfünf. Sie sind schon lange nicht mehr gebräuchlich. Habt ihr kein Geld aus unserem Jahrhundert?«
    Lise schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid, aber dann kann ich dir nur ein Ticket geben.«
    »Aber...« Lise war verzweifelt. »Aber...«
    »Schon in Ordnung«, sagte die Stimme hinterm Schalter. »Geben Sie uns eines.«
    Lise sah zu Bulle hinunter, der ihr gebieterisch zunickte.
    Als sie wieder aufblickte, hatte die Dame das Ticket bereits ausgestellt und hielt es ihr hin. »Gute Reise nach Paris. Ich nehme an, du wirst dort von Erwachsenen erwartet.«
    »Ich auch«, seufzte Lise leise und blickte erst auf das Ticket, dann auf die beiden alten Tausender.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte sie Bulle, während sie zur Sicherheitskontrolle gingen.
    »Ganz ruhig«, sagte Bulle. »Ich hab eine Idee.«
    »Ja? Was für eine denn?«
    »Du fliegst allein«, sagte Bulle.
    Lise starrte ihn schockiert an. »A-allein?«
    Da. Jetzt stotterte sie auch.
    Als Lise an Bord ging, lächelte ihr eine wohlriechende Stewardess mit Lippenstiftmund zu:
    »Hallo, hast du zwei Schulranzen? Wie kommt denn das?«
    »Wahnsinnig viele Hausaufgaben«, murmelte Lise, die etwas verloren und sehr allein aussah, wie sie da im Gang stand.
    »Komm, ich helfe dir«, sagte die Stewardess, griff die Ranzen, warf sie zwischen zwei Rollkoffer ins Gepäck-fach unter der Decke und klappte geräuschvoll den Deckel zu.
    Lise fand ihren Platz, schnallte sich an und schaute aus dem Fenster. Draußen war kein Mensch zu sehen, nur ein Tankwagen und etwas, das aussah wie ein Spielzeugzug mit Koffern in den offenen

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