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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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du mich während des Fluges sehr vermisst?«
    »Eigentlich nicht«, sagte Lise. »Ich hab geschlafen. Und du?«
    »Hab in ›TIERE, DENEN DU NIE BEGEGNEN MÖCH- TEST‹ gelesen, bis die Batterie von meiner Taschenlampe alle war. Apropos schlafen, da stand auch was über den kongolesischen Tse-Tse-Elefanten.«
    »Tse-Tse-Elefant?«, fragte Lise, bereute aber sofort, dass sie gefragt hatte.
    »Er ist so groß wie ein Haus und leidet an Narkolepsie«, sagte Bulle. »Das bedeutet, er schläft ohne Vorwarnung plötzlich ein und kippt um. Wer keinen Sicherheitsabstand einhält, kann jederzeit achtzehn Tonnen Tse-Tse-Elefant auf die Mütze kriegen. Vor ein paar Jahren hat sich ein Zirkusdirektor in einem winzigen Tierladen in Lillesand einen megagroßen Elefanten andrehen lassen. Er wusste ja nicht, dass das...«
    ». . . ein kongolesischer Tse-Tse-Elefant war«, beendete Lise seinen Satz, seufzte und schaute aus dem Fenster.
    »Genau«, sagte Bulle. »Mitten in seiner ersten Vorstellung schlief der Elefant ein und hinterher mussten sie drei Generationen von russischen Trapezkünstlern aus dem Sägemehl kratzen.«
    »Hör doch auf, solche Elefanten gibt es ja gar nicht!«
    »Klar gibt’s die! Mein Großvater hat mir erzählt, dass er ein paar im Zoo von Tokyo gesehen hat. Sie hatten sie direkt aus dem kongolesischen Dschungel da hingeflogen und wegen des Zeitunterschieds litten sie wohl immer noch am Jetlag. Einmal ist einer von ihnen eingeschlafen...«
    Und so plauderte Bulle unverdrossen weiter, bis das Taxi anhielt und der Fahrer sagte:
    »Madamm, Mössjöh, Pension Pomm Fritt.«
    Und tatsächlich: Sie standen vor einem hohen, schmalen Haus mit so schiefen Wänden, dass man annehmen musste, die Maurer hätten während der Bauarbeiten etwas zu viel Rotwein getrunken. Dafür hatte die Pension kleine, gemütliche Balkons und auf dem Dach ein im Dunkeln leuchtendes Schild, auf dem stand »PENSION LES POMMES FRITES«. Obwohl, eigentlich stand da nur »PENON L POMM FRITS«, weil in etlichen Buchstaben das Licht ausgefallen war.
    Lise bezahlte, dann stiegen sie aus. In der Ferne hörten sie Akkordeonmusik und knallende Champagnerkorken.
    »Ah«, sagte Bulle und sog die Luft ein. »Paris!«
    Dann betraten sie die Pension. An der Rezeption standen eine lächelnde, rotwangige Frau und ein so gemütlicher dicker Mann, dass Lise gleich an ihre Eltern zu Hause in der Kanonenstraße denken musste.
    »Bong soar«, sagte die Dame. Und obwohl Lise das nicht verstand, war ihr doch klar, dass es etwas Nettes sein musste, darum antwortete sie »Guten Abend«, knickste kurz und schubste Bulle an, der einen Diener machte. Sie wusste, dass ein bisschen Knicksen und Dienern immer gut ankam. Offenbar auch in Paris, denn die
    beiden hinterm Tresen lächelten noch freundlicher als zuvor.
    »Dotor Proktor?«, fragte Lise versuchsweise, auf eine neue Runde Sprachverwirrung gefasst. Doch zu ihrer Freude rief die rotwangige Frau strahlend: »Oh, lö Profässör!«
    »Ja!« Lise und Bulle nickten beide eifrig.
    »Vuhsäht famihj?«, fragte die Frau, aber da verstanden Lise und Bulle nur noch Bahnhof.
    »Parleh vuh frangssäh?«, erkundigte sich der Mann.
    »Warum schüttelst du den Kopf?«, fragte Bulle Lise flüsternd.
    »Weil ich glaube, er fragt, ob wir französisch sprechen«, flüsterte Lise zurück. Dann debattierten die beiden hinterm Tresen eine gute Weile, was auf Bulle und Lise den Eindruck machte, dass Französisch sogar für Franzosen eine ziemlich schwierige Sprache sein musste. Denn um sich verständlich zu machen, mussten sie Grimassen schneiden, mit Armen und Händen fuchteln, ja, den ganzen Körper einsetzen.
    Schließlich nahm die Frau einen Schlüsselbund von der Wand in ihrem Rücken, kam hinterm Tresen hervor, ging eine Holztreppe hinauf und winkte Bulle und Lise, ihr zu folgen.
    Sechsundzwanzig Treppenstufen und einen halben Flur später schloss sie eine Tür auf und ließ sie hinein.
    Das Zimmer war sehr einfach eingerichtet, zwei Betten, ein kleines Sofa, ein Kleiderschrank und ein Schreibtisch voller Notizen. Plus eine Tür, die in ein Badezimmer führte. Sie gingen hinein. Offenbar wurde das Bad gerade renoviert. Jedenfalls lagen auf dem Bord unterm Badezimmerspiegel neben zwei Zahnputzbechern ein Hammer, ein Schraubenzieher und eine Tube Kleber. Vor der einen Wand stand eine Badewanne mit tropfendem rostigem Wasserhahn. Während Bulle seine Waschsachen auf das Bord vorm Spiegel räumte, stellte Lise ihren Ranzen neben den

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