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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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GRATIS!«
    »JETZT!«
    Bulle zuckte mit den Schultern.
    »Na gut«, sagte er unschuldig. Genauso unschuldig wie einer, der gerade einen nicht ganz so unschuldigen Einfall hatte. Nämlich dass er – klein, wie er war – draußen auf der Straße leicht entwischen und in der Menschenmenge untertauchen konnte.
    »Gehen wir«, sagte er und spazierte hinaus. Die Raspa folgte ihm auf den Fersen, steckte aber auf der Treppe die Pistole in die Manteltasche. Als sie auf die Straße kamen, sah Bulle sich verwundert um. Im Lauf der Nacht hatte es sich bewölkt und schien jeden Moment regnen zu wollen. Aber nicht darüber wunderte er sich.
    »Wo sind denn die ganzen Menschen? Gestern hat es hier nur so gewimmelt!«
    »Die sind mit dem Fahrradzirkus sonst wohin gezogen«, sagte die Raspa und blickte die leere Straße hinunter. »Tja, das vereitelt jetzt wohl deine Idee, klein, wie du bist, draußen auf der Straße zu entwischen und in der Menschenmenge unterzutauchen.«
    Bulle antwortete nicht. Konnte sie auch Gedanken lesen?
    Die Raspa lachte: »Los, Kleiner, spring auf meine Schultern!«
    »Auf Ihre Schultern?«
    »Siehst du hier vielleicht ein Taxi?«
    »Nein . . .«, sagte Bulle zögernd.
    Die Raspa bückte sich. »Hopp! Lass uns aus dem bescheuerten Gebirge verschwinden, bevor der Regen kommt.«
    Bulle zögerte, tat aber, wie ihm geheißen. Die Raspa überprüfte, dass er sich gut festhielt, dann stieß sie sich mit dem beschuhten Fuß ab. Die ungeölten Rollschuhräder an ihrem Holzbein quietschten los. Sie rumpelten über den Asphalt, als sie unter dem Transparent vorbei kamen, das das Ziel angezeigt hatte. Ihr Tempo wurde schneller.

    »Festhalten!«, sagte die Raspa über die Schulter. »Jetzt kommt volle Maschine voraus.«
    Sie krümmte sich. In der Ferne grollte der Donner, der Fahrtwind blies Bulle entgegen, als sie denselben steilen Abhang hinuntersausten, den er sich und Eddy tags zuvor hinaufgepupst hatte. Die Raspa legte sich in die Kurven, dass ihre Räder nur so kreischten.
    Bulle – er war eben Bulle – vergaß, in welch kitzliger Situation er war, und jubelte ungehemmt: »Jippieh! Schneller! Schneller!«
    Das konnte er haben. Schließlich ging es so schnell, dass der Fahrtwind seine Wangen flattern ließ, ihm die Lider zurückklappte und die Nase flach ins Gesicht drückte. Bulles Rufe rissen jäh ab, als es ihm die Zunge in den Hals wehte und er sie wieder hinaushusten musste.
    Zwei Schafe standen beieinander und betrachteten die milde gesagt merkwürdige Frau, die an ihnen vorüberwitschte, auf den Schultern den kleinen Kerl, der gestern bergauf geradelt war.
    »Ham wir diesen Rotschopf nich’ schon mal gesehn?«, fragte das eine Schaf das andere wiederkäuend.
    »Keine Ahnung«, sagte das zweite widerkäuend zum ersten. »Bin ’n Schaf, weißte. Kein Gedächtnis für so Zeugs.«
    Die Raspa und Bulle lagen in der letzten Kurve vorm Ende der Gefällestrecke so gut wie flach auf der Straße. Und Bulle erblickte die Blumenwiese. Und die Beine der umgestürzten Badewanne.
    In diesem Moment brach das Unwetter los. Und was für eins! Als hätten sich die dicksten Regentropfen der Welt ausgerechnet über der Wiese zur Weltmeisterschaft im Abregnen verabredet.
    »Perfekt!«, rief die Raspa, setzte über den Zaun und humpelte auf die Badewanne zu.
    »Pe-rf-ekt?« Bulle wurde auf ihren Schultern durchgeschüttelt und spürte, wie ihm das kalte Regenwasser in den Kragen und den Rücken hinab in die Unterhose lief.
    Die Raspa steuerte die Badewanne an. Sie schüttelte sich, sodass Bulle auf die Wiese kullerte. Dann packte sie ein Wannenbein. »Hilf mir, den Kahn hier wieder seeklar zu machen!«
    Bulle stand auf und half ihr. Sie drehten die Zeitbadewanne um und betrachteten den Regen, der auf den emaillierten Boden trommelte. Die Raspa nahm ein Glas zur Hand, schraubte es auf und schüttete ein wenig vom Inhalt aus. Ein wohlbekanntes erdbeerrotes Pulver rieselte in das bereits eine Handbreit hoch in der Wanne stehende Wasser, der Regen prasselte auf die Seife, die sogleich zu schäumen begann.
    »Jetzt müssen wir nur noch warten, bis sie voll ist«, sagte die Raspa, stieg in die Wanne und setzte sich ans eine Ende. Bulle hüpfte ebenfalls hinein und nahm am anderen Ende Platz.
    »Wie haben Sie uns eigentlich gefunden?«, fragte er.
    »Ganz einfach«, sagte die Raspa. »Als ihr mit dieser neuen Briefmarke von 1888 ankamt, die außerdem am Rand Seifenspuren aufwies, beschlich mich ein Verdacht. Und als der

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