Doktor Proktors Zeitbadewanne
allein?«, fragte Anna.
»Ich glaube schon«, sagte Lise. »Bulle hat wohl vergessen, wo wir hinwollten. Er hat manchmal so seine Probleme, sich zu konzentrieren.«
Das Motorrad auf der Brücke startete und fuhr davon.
»Hah!«, rief Lise und sprang auf. »Doktor Proktor! Nicht wegfahren!«
»Psst!« Anna zog Lise wieder herunter. »Das ist doch der junge Doktor Proktor. Der würde nicht begreifen, wovon du redest.«
»Was?«, sagte Lise. »Und was ist mit dem alten Doktor Proktor los?«
Anna seufzte. »Er ist wieder weg.«
»Aber er war hier? Du hast mit ihm gesprochen?«
Anna nickte. »Er ist heute früh auf einmal in Inavel aufgetaucht, nass wie eine Badehose. Er kam gerade vorbei, als die Tranne-Cousins mich wie üblich in den Inavel-Bach geschubst hatten.«
»Die Tranne-Cousins?«
»Zwei widerliche Jungs von ganz unten in der Straße, wo ich wohne. Sie hatten mein Fahrrad umgestoßen, meine Schultasche ausgeleert und mir die Taschen mit Nägeln gefüllt. Sie üben, um Nildpferde zu werden wie ihre Väter, weißt du.«
»Ich weiß«, seufzte Lise.
»Ich glaube, sein seltsamer Anblick hat sie erschreckt.
Außerdem schrie er sie in einer merkwürdigen Sprache an und schüttelte die Faust. Die Tranne-Cousins rannten weg, riefen mir aber zu, sie würden ihre Väter holen. Danach hat der Professor mir geholfen, meine Schulbücher und Schreibsachen wieder einzusammeln. Und als er meinen dicken Filzstift sah, fragte er, ob er ihn haben könnte, um eine Nachricht an die Wand der Tankstelle zu schreiben.«
»Eine Nachricht?«
»Ja. Er wollte sich selbst warnen, sagte er, dass er nicht anhalten, sondern nach Italien weiterfahren soll. Er hat mir die ganze Geschichte erzählt.«
»Und du hast ihm geglaubt?«, fragte Lise erstaunt.
»Nein, nein«, lachte Anna. »Ich fand ihn für einen Professor nett, aber ziemlich verrückt. Obwohl er mir die Badewanne zeigte, mit der er angeblich durch die Zeit reisen kann. Sie stand zwischen den Wracks auf Hippos Autofriedhof. Dann hörte ich in der Ferne die Schulglocke läuten und erklärte ihm, wie er zur Tankstelle kam, ohne den Tranne-Vätern über den Weg zu laufen. Und dann bin ich losgerannt, um rechtzeitig zur ersten Stunde zu kommen.«
»Aha«, sagte Lise. »Und warum bist du jetzt nicht in der Schule?«
»So weit bin ich gar nicht gekommen. Als ich um die Ecke kam, warteten da die Väter von den Tranne-Cousins schon auf mich. Sie schüttelten mich und fragten, was das für einer war, dieser durchgeknallte Ausländer, der ihre lieben kleinen Jungs bedroht hatte. Ich hatte so Angst, ich hab alles erzählt. Sie schauten ganz merkwürdig, als ich von dem jungen Professor erzählte, der zusammen mit einer Juliette Margarine auf dem Motorrad geflohen war. Sie sagten, das müsse der Kerl sein, den ihr Chef suchte, Monsieur Cliché. Sie fragten, wo der Ausländer jetzt sei, aber ich tat so, als ob ich es nicht wüsste. Dann ließen sie mich los und besprachen das alles. Sie wollten die anderen Nilpferde im Dorf alarmieren, dass sie nach verdächtigen Fremden Ausschau halten. Und dass sie am besten gleich in der Tankstelle Bescheid sagen würden, denn da kämen Fremde meistens von selbst vorbei. Dann sprangen sie in ihre Limousine und fuhren los.«
»Und was hast du da gemacht?«
»Mir wurde klar, dass offenbar doch etwas an der Geschichte des Professors dran sein musste. Also rannte ich, so schnell ich konnte, um es ihm zu erzählen. Mong Diö, was bin ich gerannt! Zum Glück fand ich ihn in seinem Versteck gegenüber von der Tankstelle und konnte ihm alles erzählen. Wir beobachteten aus unserem Versteck, wie die Limousine schon dort stand und die Tranne-Väter mit den beiden Nilpferden sprachen, die an der Tankstelle arbeiten.«
»Darum waren sie so misstrauisch, als Proktor und Juliette nachtanken wollten«, sagte Lise.
Anna hatte Tränen in den Augen. »Alles ist meine Schuld, oder?«
»Absolut nicht«, sagte Lise und jetzt streichelte sie ihrerseits Annas Wange. »Du konntest ja nicht wissen, dass der Professor nicht völlig verrückt ist. Offen gestanden, ich frage mich manchmal selbst...«
Anna wischte sich die Tränen weg. »Der Professor sagte, der Plan sei fehlgeschlagen und er müsse sich einen neuen ausdenken.«
»Und was für einen?«, fragte Lise.
»Er sagte, man habe immer nur einen Versuch, um die Geschichte zu ändern, also müsse er in eine andere Zeit reisen und dort eingreifen.«
»Wann?«, fragte Lise. »In welche Zeit?«
»Er sagte,
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