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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Generator, oder was?«
    »Selbstverständlisch, ’err Generator!« Der Schnurrbart drückte den Rücken durch, salutierte, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand aus dem Zelt.
    Sobald die Stoffbahn wieder vor die Öffnung gefallen war, stürzte Bulle zur Badewanne und schüttete etwas Zeitseifenpulver hinein. Er zog den Säbel, steckte ihn ins Wasser und rührte tüchtig um. Und bald schäumte es wieder. Bulle steckte das Glas mit dem Seifenpulver in die Innentasche der Uniformjacke und erklomm den Rand der Badewanne. Er wollte am liebsten wieder eine Bombe machen. Sich auf den Boden sinken lassen und an die Pension Pommes Frites zurückdenken, wo all die anderen wahrscheinlich nur auf ihn warteten; Lise, Doktor Proktor und Juliette Margarine. Claude Cliché wäre eine ferne, legendäre Figur und keinem von ihnen je begegnet. Bulle ging in die Knie, um Schwung zu holen.
    »Gestatten?«, tönte eine scharfe Stimme.
    Bulle sah auf. In der Zeltöffnung stand ein Mann mit einer fast ebenso prunkvollen Uniform wie seiner. Er war groß, schlank und hatte auf der einen Wange eine v-förmige Narbe.
    »Guten Morgen, Generator Napoleon.«
    »Gute Nacht, würde ich eher sagen«, sagte Bulle.
    Gewandt betrat der Mann das Zelt. »Ein wenig Schlaf scheint Euch gutgetan zu haben, Generator. Ihr seht um Jahre jünger aus als gestern.«
    »Ach, danke, ja«, sagte Bulle und überlegte, wie er den Fritzen möglichst rasch wieder loswerden könnte. »Das ist wohl nur die Kleidung. Niegelnagelneu.«
    »Also sind des Kaisers Kleider neu?« Lächelnd ließ der Mann sich auf einem Stuhl nieder.
    »Ich bin Kaiser?«, rief Bulle erschrocken.
    Der Mann lachte. »Das legt Ihr selbst fest. Euer letzter Befehl lautete, man möge Euch Generator nennen.«
    »Das ist mir bekannt. Warum wollte ich das eigentlich?«
    »Habt Ihr das vergessen? General und Diktator. Gibt Generator, oder? Nun ja, streng genommen war es meine Idee. Wie das meiste derzeit.« Seufzend betrachtete er seine weißen Handschuhe. »Gehen wir dann an die Arbeit, ja?«
    »An die Arbeit?«, fragte Bulle. »Wie Sie sehen, bin ich mitten bei der Morgentoilette und ich habe noch nicht einmal gefrühstückt. Wenn Sie mich also noch ein paar Minuten allein lassen könnten, Herr... Herr . . .?«
    Der Mann zog eine Augenbraue hoch: »Ich bin es, Marschall Lüpäng!«
    »Ja, freilich«, lachte Bulle nervös und scheppernd falsch. »Marschall Lüpäng, verzeihen Sie, ich habe ja so viele Marschälle!«
    »Zwei«, korrigierte ihn Lüpäng säuerlich. »Der andere fiel gestern durch die englischen Bajonette. Ihr scheint nicht ganz bei Euch zu sein, Generator.«
    »Doch, doch, keine Sorge«, sagte Bulle. »Das ist nur... nur... diese... Nasenklemme.«
    Lüpäng stand auf. »Wenn Ihr dann Euren Säbel fertig gewaschen hättet? Wir haben in die Schlacht zu ziehen, Generator.«
    »Eine Schlacht?«, rief Bulle verwirrt. »Was für eine Schlacht? Eine Tortenschlacht? Kissenschlacht? Schlachteplatte?«
    »Das englische Heer wartet jenseits der Straße, Generator. Seid Ihr nicht gespannt?«
    »Höchst gespannt.« Bulle schluckte.
    »Dann lasst uns aufbrechen. Wir sind bereit.«
    »Um genau zu sein, wer ist das – wir?«, fragte Bulle und verwarf die Idee, einfach ins Wasser zu springen, denn dieser Mann würde ihn sicher wieder herausziehen.
    »Ihr, ich, Euer Pferd und...«Er schlug die Zeltbahn beiseite, ». . . ungefähr siebzigtausend Mann.«
    Bulle starrte mit offenem Mund hinaus. In der Dämmerung vorm Zelt sah er tatsächlich einen schönen Schimmel, aufgezäumt und gesattelt. Doch deswegen sperrte Bulle nicht den Mund auf. Sondern hinter dem Schimmel waren Soldaten aufmarschiert, so weit das Auge reichte, in blauen Uniformjacken und mit Gewehren und Bajonetten.
    Marschall Lüpäng trat in die Zeltöffnung.
    »Soldaten, grüßt euren Generator!«
    Zur Antwort tönte ein einstimmiger Schrei aus siebzigtausend Kehlen über die Ebene:
    »Vive Napoleon! Vive la Frangss!«
    Bulle blickte in den Seifenschaum zu seinen Füßen. Vielleicht konnte er es noch schaffen.
    »Seid ihr bereit, für euren Generator zu sterben, Männer?«, rief Lüpäng.
    »Oui!«, riefen die Soldaten.
    Bulle beugte die Beine zum Sprung, als sich in einer Hälfte seines Gehirns ein Gedanke meldete. Etwas, das Juliette gesagt hatte. Du bekommst nur eine einzige Chance, um die Geschichte zu verändern. Ja und?, entgegnete die andere Hälfte seines Gehirns. Hau ab, so lange du kannst! Bulle sprang. Das heißt, er dachte ganz

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