Doktor Proktors Zeitbadewanne
Armee. Und außerdem lasse ich euch nicht hängen. Na, was sagt ihr?«
Der Schnurrbatr und der Schnauzbart sahen einander an. Und dann den Marschall. Und dann Bulle.
»Was sagt Ihr, Generator? ’abt Ihr etwas Besserös anzubieten?«
»Tja.« Bulle kratzte sich mit dem linken Zeigefinger im Ohr. »Frühstück. Frisch gebackenes Brot mit Erdbeermarmelade.«
»Erdbeermarmelade?«, fragte der Schnauzbart und sah den Schnurrbart an.
»Hört mal, meine lieben Männer . . .«, sagte Lüpäng. Aber mehr konnte er nicht sagen, denn im nächsten Augenblick hatte er eine löchrige rechte Socke im Mund und nach einigem Fesseln und Wickeln sah auch er wie ein Maiskolben aus.
»Schafft ihn raus und kitzelt ihn durch«, sagte Bulle und knöpfte sich die Uniform auf. »Und seid so nett und hängt ein BITTE-NICHT-STÖREN-Schild draußen hin, denn ich will jetzt mein Morgenbad nehmen.«
An jenem Tag trafen die Engländer unter dem Herzog von Wellington in Waterloo auf keinerlei Widerstand, sondern konnten geradewegs ins menschenleere Lager der Franzosen einmarschieren. Dort fanden sie nichts als eine Menge herrenloser Gewehre und Kanonen sowie ein Kerkerloch, darin eine halb verrückte Frau mit Holzbein und langem schwarzem Mantel. Plus ein Zelt mit einem Schild davor, BITTE NICHT STÖREN. Eigentlich hätten die Engländer als ausgesprochen höfliche Menschen eine solche Bitte nicht missachtet, doch da sie kein Französisch lesen konnten, gingen sie schnurstracks hinein. Allerdings befand sich in dem Zelt nichts als eine Badewanne, in der gerade die letzten Schaumblasen zerplatzten.
»Wie peinlich aber auch!«, sagte der Herzog von Wellington zu seinen Offizieren und verpasste der Badewanne einen Tritt. »Jetzt hatte ich mich so darauf gefreut, ein Held zu werden, mit jeder Menge Toter auf beiden Seiten. Und jetzt gewinnen wir, ohne auch nur einen einzigen Schuss abzugeben!«
Einer seiner Offiziere flüsterte ihm verstohlen etwas ins Ohr.
»Aha!«, rief Wellington aus. »Gerade hatte ich eine Idee! Hört mal, zu Hause am Königshof erzählen wir einfach, dass wir die Franzosen gehörig vertrimmt haben. Wir sagen, das war die größte Schlacht in der Geschichte der Menschheit! Und den komischen kleinen Franzosen im Nachthemd, der behauptet, er wäre Napoleon – den präsentieren wir einfach als den echten Napoleon Bonaparte!« Der Herzog lachte schallend. »Dann verbannen wir ihn auf eine ferne Insel, so kann er uns nicht verraten, falls er wieder normal wird.« Verschwörerisch beugte der Herzog sich zu seinen Offizieren vor und flüsterte: »Und keine Seele verrät einer Seele, was hier in Waterloo tatsächlich passiert ist. Abgemacht?«
Und alle seine Offiziere antworteten im Chor: »Abgemacht!«
Bulle saß auf einem Stuhl neben der Badewanne in der Pension Pommes Frites. Er trug zu weite Hosen und einen Pullover; beides hatte ihm Madame Trottoir an der Rezeption geliehen. Immerhin aber waren die Sachen trocken, anders als die pitschnasse blaue Uniform, in der er angekommen war und die jetzt tropfend über der Rückenlehne des Stuhls hing. Betrübt stützte Bulle den Kopf in die Hände und blickte in das dunkle Wasser. Die anderen waren nicht hier! Er war mutterseelenallein! Abgesehen natürlich von einer Siebenbeinigen Peruanischen Saugespinne namens Perry, die jetzt in einem Zahnputzglas neben der Tube mit Doktor Proktors Schnellwirkendem Superkleber auf der Konsole vorm Badezimmerspiegel stand. Stumm und scheinbar verständnisvoll lauschte Perry Bulles verzweifelter Ansprache:
»Was soll ich jetzt machen? Ich hab keine Lust mehr zu dem Ganzen. Weißt du, was ich am liebsten tun würde? Zu dem Moment zurückreisen, bevor wir in die Kanonenstraße gezogen sind, und dafür sorgen, dass ich weder Lise noch Doktor Proktor jemals kennenlerne! Dann könnte ich mir andere Freunde suchen, mit denen es nicht so einen Ärger gibt.«
Bulle dachte nach.
»Okay, dann hätte ich jetzt wahrscheinlich überhaupt keine Freunde. Aber lieber allein sein als...so allein sein wie jetzt. Tut mir leid, Perry, aber so eine tolle Gesellschaft bist du nun mal nicht.«
Bulle trat gegen die Badewanne, die irgendwie tiefseehaft dröhnte.
Dann hüpfte er vom Stuhl, ging ins Schlafzimmer hinüber und kauerte sich in seinem Bett zusammen.
Vorm Einschlafen dachte er als Letztes, dass er morgen früh jedenfalls ein ordentliches Frühstück haben wollte!
Mitten im allerschönsten Traum von Spiegeleiern, so groß wie Klodeckeln, und
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