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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Karte solle, und – zack! – war sie dort. Offenbar kann nur durch die Zeit reisen, was ganz eingetaucht ist, also blieb er selbst hier.«
    »Interessant«, sagte Lise und deutete auf die leeren Rotweinflaschen auf Eiffels Tisch. »Könnte ich eine von denen haben und ein Blatt Papier und einen Bleistift?«
    »Bitte, bedien dich.«
    Lise griff einen Bleistift und kritzelte rasch etwas auf ein Blatt Papier. Dann faltete sie es zusammen, schob es in eine der beiden Flaschen, fischte einen Korken aus dem Papierkorb und drückte ihn in den Flaschenhals.
    »Was ist das?«, fragte Eiffel.
    »Eine Nachricht, wohin ich reise«, sage Lise. »Wenn Doktor Proktor mittels der Zeitbadewanne Sachen verschicken kann, werd ich das ja wohl auch können.«
    »Klingt logisch. Für wen ist das?«
    »Bulle oder Juliette. Ich weiß nicht, wo sie sind, aber ich schicke die Nachricht in unser Zimmer in der Pension Pommes Frites.«
    Das Letzte bekam Eiffel nicht mehr richtig mit, denn Lise hatte den Kopf bereits unter Wasser, zusammen mit der Flasche, und ihre Worte stiegen nur noch als Luftblasen an die Oberfläche.

    »Erledigt!«, sagte sie, als sie wieder aufgetaucht war. Gustave Eiffel schüttelte verblüfft den Kopf und lachte bewundernd. »Jetzt muss ich mich aber ranhalten.« Lise sprang in die Badewanne.
    »Ich mich auch«, meinte Eiffel verdrossen. »Aber es hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Lise. Grüß deinen Professor von mir, wenn du ihn triffst. Und bastelt bitte nicht allzu viel an der Weltgeschichte herum.«
    Lise winkte und tauchte ab.
    Als sie verschwunden war, beugte Eiffel sich über seine Skizzen und murmelte: »Merde, warum lassen die mich nicht einfach hässliche Brücken entwerfen, wie immer?« Doch da hörte er Tropfen auf dem Holzfußboden neben sich und blickte auf. Siehe da, es war Lise. Seifenschaum troff aus ihrem Haar.

    »Ach, bist du doch nicht fortgereist, mon amie?«, fragte er.
    »Ich hab nur gedacht, ich bedanke mich erst noch mit einer Idee für Ihre Hilfe«, sagte sie, griff einen Bleistift und begann zu zeichnen.
    Mit großen Augen verfolgte Eiffel, wie ihre Hand übers Pa pier flog, als wüsste sie genau, wie das Ergebnis aussehen wollte. Bögen, Streben, vier weit gespreizte Beine, fast wie die Beine einer Badewanne. Es war schön, es war genial, es... raubte ihm den Atem.
    »So«, sagte Lise. »Gefällt Ihnen das?«
    Eiffel war überwältigt. »W. . . was ist das?«
    »Ein Turm.«
    »Das sehe ich. Aber das ist kein Turm, das ist ein fantastischer Turm! Der ist perfekt! Wie soll ich den nur nennen? Lise-Turm?«
    Lise zögerte. »Ich glaube, Eiffelturm passt besser.«
    »Eiffelturm?« Vor lauter Begeisterung bekam der Ingenieur einen erneuten Hustenanfall. »Findest du? Tausend Dank!«
    »Danke gleichfalls und viel Glück«, sagte Lise, marschierte zurück zur Badewanne, stieg hinein, murmelte »Zur Pariser Pastille« vor sich hin, tauchte unter und war – zack! – verschwunden.
    Als sie wieder Boden unter den Füßen hatte, traf sie etwas wie ein Schlag: durchdringender Gestank. Und es traf sie ein hysterisches Grunzen und Quietschen. Wäre Lise nicht Lise gewesen, sondern Bulle, sie hätte gedacht: Frühstück! Grunzfrischer Schinken!
    Und dann traf sie noch etwas, nämlich das Ende eines Bretts, und zwar am Hinterkopf. Das andere Ende des Bretts hielt ein wütender Bauer mit rot gestreifter Mütze in den Händen:
    »Wirst du wohl aus meinem Schweinestall verschwinden! Weg mit dir! Weg!«

15 . Kapite l
Die Französische Revolution
    ise duckte sich, als das Brett abermals angesaust kam. Blitzschnell kletterte sie auf den Rand der Badewanne. Rund um sie herum wogte ein lebender Teppich aus rosa Schweinerücken, die gegen die Badewanne und gegeneinanderrumpelten.
    »Weg! Weg!«, schimpfte der Bauer und kam mit dem Brett näher.
    Lise sprang. Sie landete rittlings auf einem der Rücken und ein gellendes Quieken durchschnitt das allgemeine Schmatzen und Grunzen. Automatisch hielt sie sich an den Ohren des Schweins fest, das sofort losrannte. Es drängelte sich durch die Schweineherde und rannte auf den Zaun zu, der um das Gatter gezogen war, dass der Dreck nur so spritzte. Vor der Einfriedung machte es eine Vollbremsung, stemmte sich auf die Vorderbeine und schlug mit dem Hinterteil aus, sodass Lise unvermittelt durch die Luft flog. Über den Zaun hinweg, über eine Heugabel, über ein Ferkelchen, das sich außerhalb des Gatters verirrt hatte, und mit ge- schlossenen Augen machte sie sich auf

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