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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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durfte, bei dem soeben eine Badewanne aufgetaucht war und ein Mädchen, das behauptete, aus der Zukunft zu stammen. Im nächsten Moment bekam sie auch schon die Erklärung dafür:

    »Der Professor hat gesagt, es kämen zwei«, sagte Monsieur Eiffel. »Ein gewisser junger Mann namens Bulle scheint aber noch zu fehlen.«
    »Sie haben mit Doktor Proktor gesprochen?«, rief Lise. »Wo ist er?«
    Monsieur Eiffel schob einen nachdenklichen Finger zwischen zwei seiner Westenknöpfe und kratzte sich den Bauch. »Das weiß ich leider nicht so recht, meine junge Freundin. Unsere Begegnung genau hier in diesem Raum währte leider nur recht kurz. Dann reiste er weiter. Doch wie du war auch er in einer Badewanne gekommen. Einer Zeitbadewanne, wie er mir erklärte.«
    »Und Sie haben ihm geglaubt?«, fragte Lise. »Dass er eine Möglichkeit erfunden hat, durch die Zeit zu reisen?«
    »Selbstverständlich. Das Gegenteil zu glauben, das wäre mir schwergefallen: dass niemals jemand eine Möglichkeit erfinden würde, durch die Zeit zu reisen. Schließlich bin ich Ingenieur und glaube fest an die Fähigkeit des Menschen, neue Dinge zu erschaffen. Alles, was man dazu braucht, ist eine Dosis Fantasie und Logik.« Eiffel lächelte betrübt. »Leider verfüge ich selbst nur über logisches Denken und über keine Fantasie. Wenn der Mensch von einem nicht genug haben kann, dann ist das Fantasie.«
    »Oh, ich kenne einen Jungen, der hat fast ein bisschen viel davon mitbekommen«, sagte Lise und wrang ihr nasses Haar über der Badewanne aus.
    »Aha? Mit dem würde ich jetzt gern tauschen.«
    »Warum?«
    Eiffel nickte hustend zum Fenster. »Nächstes Jahr ist in Paris Weltausstellung und die Stadtverwaltung hat mich beauftragt, einen Turm für den Platz dort draußen zu entwerfen. Sie hat nur drei Bedingungen gestellt. Er soll schön und genial sein und allen, die ihn sehen, den Atem rauben. Schon in Ordnung, aber...« Eiffel ließ sich das Monokel in die Hand fallen, schloss die Augen und rieb sich mit der Pfeife die Stirn. »Das Problem ist nur, dass ich nicht genug Fantasie habe, um mir etwas Schönes und Geniales einfallen zu lassen. Und das Einzige, was mir den Atem raubt, ist dieser viel zu milde Tabak hier. In ein paar Monaten müssen wir anfangen zu bauen, alle warten auf meinen Entwurf. Aber mir fällt nichts ein. Wenn sich das nicht ändert, werde ich entlassen und muss den Rest meines Lebens Fahrradständer entwerfen!«
    Er erlitt einen erneuten Hustenanfall und die Röte kletterte in seinem Gesicht hoch, als wäre er ein Fieberthermometer.
    »Unfug«, sagte Lise. »Natürlich können Sie etwas Schönes und Geniales entwerfen.«
    »Leider nicht«, entgegnete Eiffel halb erstickt. »Alles, was ich entwerfen kann, sind breite, solide und einigermaßen hässliche Brücken. Solche wie die, nach der dein Professor fragte...«
    »Ja?«
    »Eine Brücke in der Provence, bei der nächste Woche Baubeginn ist. Er wollte, dass ich den Entwurf etwas abändere, die Brücke ein kleines bisschen schmaler mache. Irgendwas mit Flusspferden und ihren Limousinen...«
    »Jaja!«, rief Lise. »Schmaler, damit Doktor Proktor und Juliette fliehen und in Rom heiraten können!«
    »Genau, das hat er gesagt. Eine herzzerreißende Geschichte und, ehrlich gesagt, musste ich sogar ein paar Tränen verdrücken. Und ich hatte überhaupt nichts dagegen, das hässliche Ding ein bisschen schmaler zu machen. Gar kein Problem.«
    »Jippieh!«, rief Lise und hüpfte auf der Stelle. »Dann klappt es ja! Dann wird alles gut! Tausend Dank, Monsieur Eiffel! Auf Wiedersehen!« Und sie sprang zurück in die Badewanne.
    »Momentchen mal . . .«, sagte Eiffel..
    »Ich muss schnell zurück in meine Zeit, solange die Seife noch schäumt. Meine Freunde warten sicher schon auf mich.«
    »Dein Professor ist nicht dorthin zurückgereist. Er wollte dann doch nicht, dass ich die Brücke verändere.«
    »Wie bitte?« Lise sperrte den Mund auf. »Warum?«
    »Er berichtete ein wenig von den Dingen, die in der Zukunft passieren würden, und wir tranken dazu eine Flasche Wein. Und auf einmal fiel ihm auf, dass er bisher etwas übersehen hatte. Wenn die Brücke schmaler würde, könnten die amerikanischen Panzer nicht mehr darüber fahren, die dereinst Frankreich von Hitler befreien sollten. Und das wäre eine noch viel schlimmere Katastrophe, als wenn Juliette und er nicht heiraten könnten. Ja, dieser Hitler wird wohl bald zur Welt kommen und ein fürchterlich grausamer Mensch werden, so

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