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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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eine harte Landung gefasst.

    Erstaunt schlug sie die Augen wieder auf. Sie lag auf einem großen, weichen Heuhaufen. Lise rutschte hinunter, bürstete sich das Heu ab und sah, dass der Bauer auf sie zugerannt kam.
    Jetzt reichte es Lise aber. Es reichte ihr, gejagt zu werden, es reichte ihr, Angst zu haben und herumreisen zu müssen, ohne zu finden, wonach sie suchte. Es reichte ihr, nicht zu Hause bei Mutter und Vater und bei ihrem Plüschteddy zu sein. Jetzt war es genug! Sie sprang vom Heuhaufen, stieß das Ferkelchen mit einem Fußtritt beiseite, packte die Heugabel und richtete sie mit vor Wut gellender Stimme auf den Bauern:
    »Ich spieß dich auf und werf dich deinen Schweinen zum Fraß vor, du elender Bauerntölpel!«
    Verdattert blieb der Bauer stehen.
    »Wa. . . was willst du?«, fragte er mit dünner Stimme.
    »Ich will meinen Teddy!«, schrie Lise und ging auf den Bauern zu. »Und du musst mir den Weg nach Pastille sagen! Jetzt sofort! Los!«
    »Nach P...P... Pastille?« Der Bauer wich entsetzt nach hinten. »Das...das ist doch hier!«
    »Das hier ist doch kein Gefängnis! Wo ist der Revolutionsplatz?«
    »I. . . ich glaube, du meinst die Bastille!«
    Lise sperrte den Mund auf. »Die Bastille?«
    »Ja. Die liegt am Revolutionsplatz mitten in der Stadt.«
    »Und wie weit ist das?«
    »Ein gutes Stück zu gehen, aber es ei. . . ei. . . eilt vielleicht nicht?«
    »Ich muss dort sein, bevor sie den Grafen von Monte Crispo köpfen!«
    »Ui«, meinte der Bauer, »das wird knapp.«
    Lise senkte die Heugabel. »Warum?«
    »Weil Monte Crispo heute an der Reihe ist.«
    Lise warf die Heugabel weg. »Kannst du mir ein Pferd leihen?«
    »Ein Pferd?« Der Bauern schniefte. »Ich bin Schweinezüchter, kein Pferdeknecht.«
    Lise seufzte. Sie sah sich um. Ein schwarzes Borstenschwein – fett wie ein Motorrad und mit spitzen Hauern versehen – hatte sich aus dem Schlamm erhoben und grunzte drohend auf sie zu. Lise seufzte. Das versprach nicht schön zu werden, das versprach nicht ganz ungefährlich zu werden. Kurz und gut, das versprach saumäßig zu werden!
    Der kleine Marcel war heute mal wieder mit seinen Eltern auf den Revolutionsplatz gegangen. Es hieß, dort herrsche das reinste Volksfest.
    »Na, wollen wir mal schauen, ob die Henker auch ordentlich arbeiten«, hatte sein Vater gesagt.
    Seine Mutter hatte einen schönen Imbiss vorbereitet und Marcel freute sich auf Briekäse und Weißbrot. Und vielleicht auf ein bisschen mit Wasser verdünnten Rotwein.
    Seine Mutter hatte auf dem Pflaster des überfüllten Platzes eine Decke ausgebreitet und Marcel schielte lüstern nach dem Picknickkorb, während seine Eltern und alle anderen zum Schafott in der Mitte des Platzes blickten. Mit kraftvoll-heiser vibrierender Stimme verlas der Henker, ein fetter Kerl mit nacktem, schweißüberströmtem Oberkörper und einer Haube überm Kopf, in der zwei Löcher für die Augen waren, das Urteil über den Todeskandidaten. Dann zog er an einer Reißleine und mit lautem Zischen raste das messerscharfe Fallbeil von dem vier Meter hohen Gerüst herab und köpfte den Ärmsten, der unten lag, den Hals in einer hölzernen Klappe gefangen, mit einem laut hörbaren »Zack!«, gefolgt vom Jubel der Menschenmenge.
    »Alle Achtung«, sagte Marcels Vater anerkennend, »das nenne ich sauber geköpft. Hast du das gesehen?«
    Aber Marcel schaute gar nicht hin, er langweilte sich. Diese Köpferei lief schon den ganzen Sommer, ununterbrochen, die Köpfe purzelten nur so in die Flechtkörbe vor der Guillotine, das Blut strömte vom Schafott über das Pflaster. Und manchmal, wenn jemand etwas beson- ders Schlimmes getan hatte oder besonders reich und adlig war, wurde ihm der Kopf noch einmal auf den Hals genäht, damit man ihn ein zweites Mal köpfen konnte. Nein, früher hatten die Sonntage Marcel sehr viel besser gefallen. Dann waren er und seine Eltern auf denselben Platz gegangen und hatten den Musikanten gelauscht, die vor der Bastille spielten. Marcel liebte Musik und wollte selbst Musiker werden. Die Trompete, die er von seinem Großvater geerbt hatte, trug er immer bei sich, auch jetzt. Und während alle Blicke zum Schafott gingen, setzte er das Instrument an die Lippen, um ein kleines Lied zu spielen, das er sich ausgedacht hatte. Besonders weit kam er aber nicht, denn er sah, dass aus einer Seitenstraße etwas herangerast kam. Es sah weder schön aus, noch sah es ungefährlich aus, nein, es sah ganz und gar saumäßig aus. Und auf dem Rücken

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