Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
Polizeipräsident, ein viel zu beleibter Veroneser, in seinem Büro fest. Er wollte, dass der Inspektor ihn über den Stand der Ermittlungen informierte; er hatte einige der Aussagen der Verkäuferinnen gelesen und diese nicht besonders aufschlussreich gefunden. Nun versuchte er herauszufinden, ob sein Untergebener sich irgendeinen Reim auf die Sache gemacht hatte.
»Ich denke noch darüber nach«, sagte Stucky und wusste schon, dass der Polizeipräsident bereits eine Theorie hatte; der Inspektor hatte nämlich genau mitbekommen, wie sein Vorgesetzter zusammengezuckt war, als er in den Berichten Begriffe wie »Ungläubige« und »Hölle« gelesen hatte; er war sich sehr wohl der Wirkung solch einfacher, unverblümter Worte bewusst. Ihm selbst waren sie merkwürdig vorgekommen, aber der Polizeipräsident hatte sich gleich auf eine glasklare Rekonstruktion gestürzt und die Weihnachtskäufe, die Symbolik der Weihnachtsfeierlichkeiten und die Möglichkeit, dass sie rassistisch bedingte Fantasien speisten, aneinandergereiht.
»Haben Sie schon unter den islamischen Einwanderern recherchiert?« Und, wie von einem Zweifel befallen, fügte er hinzu: »Sie sind doch selbst persischer Herkunft, oder habe ich das falsch in Erinnerung?«
»Die Hälfte der Gene, mütterlicherseits.«
»Genau die richtige Sensibilität also. Ich meine: Und was ist mit dem Islam?«
»Nein, wirklich nicht. Ich sehe keinen Anhaltspunkt, der in diese Richtung deutet.«
»Na gut. Sollten Hinweise auftauchen, geben Sie mir sofort Bescheid.«
»Wie Sie wünschen, Signor Polizeipräsident.«
»Wissen Sie, dass ich Ihnen einen Kollegen zur Seite gestellt habe? Agente Landrulli.«
»Taugt er etwas?«
»Ein tüchtiger Junge. Anfänger, aber arbeitswillig. Das Polizeipräsidium von Parma schickt ihn, auch wenn er aus Neapel stammt. Das befördert die Integration. Natürlich wird er nicht so sein wie Ihr Exkollege Martini …«
Landrulli, Landrulli, das klang eigentlich sehr sympathisch. Trulli, Trulla, Troll.
Martini war eine harte Nuss gewesen, ein kleiner Eisvogel. Und ausgerechnet ihn hat ein Aneurysma erledigt, das größer war als ein doppelter Martini, größer jedenfalls als seine Aorta. Ein hagerer Mann, den ein Aneurysma dahinrafft, das ist schon der Gipfel! Eine Schwellung, eine Schrumpfung.
Es lag wohl am Espresso oder an Martinis aus Trient stammenden Vorfahren, diesen Irredentisten, und er selbst war genauso aufmüpfig und unehrerbietig gewesen. Und der lustigste Polizist im ganzen Polizeipräsidium von Treviso. Gestorben an einem Aneurysma, mit dreiundvierzig Jahren.
Wenige Minuten später hatte Stucky seinen neuen Mitarbeiter vor sich, einen großen Jungen voller Temperament und Tatendrang.
»Mir helfen Freunde«, sagte er, »ich schlafe auf einer Couch, aber ich suche eine Wohnung, ein Mini-Apartment, und das dürfte nicht schwer zu finden sein.«
»Du kommst aus dem Polizeipräsidium von Parma, stammst aber aus Neapel. Wie war’s denn in Parma?«
»Besser als in Neapel, Signor Inspektor.«
»Verleugnest du deine Heimat, oder beklagst du dich bloß?«
»Ich beklage mich, Signor Inspektor, ich beklage mich nur …«
»Hier dagegen ist immer nur Lächeln angesagt. Weißt du, dass in dem Gebäude, das heute das Polizeipräsidium beherbergt, Maestro Simonetto, der Orchesterdirigent, geboren wurde? Unser Polizeipräsidium ist das musikalischste von ganz Italien! Und hier spielt auch die Musik. Ja, wir sind eine einzige Schwingung!«
»Fabelhaft, Signor Inspektor. Dann bin ich also das Fagott …«
»Darauf spendiere ich dir einen Espresso«, entgegnete Stucky.
»In dieser Stadt muss man seine Ansprüche herunterschrauben, Signor Inspektor«, gab Landrulli zurück.
»Keine Sorge, hier gibt es doch die berühmte Caffetteria Goppion!«
»Ist das weit von hier?«
»Es geht. Bist du etwa faul?«
»Es geht, Signor Inspektor.«
Bei Goppion bekommt man immer noch einen guten Espresso, mit einem Aroma, von dem das ganze Lokal erfüllt ist; man bestellt an der Kasse, wie es sich gehört, und die dienstbaren Geister zaubern pausenlos Cappuccini und Espressi herbei, flink, aber nicht zu flink, höflich und konzentriert. Kein Vergleich zu den anderen Bars, wo man die Bestellungen durcheinanderbringt, der Barista viel zu viele Dinge auf einmal macht und der Kaffee so charakterlos schmeckt wie ein fader Aufguss.
»Signor Inspektor, hier im Norden können die Leute einfach keinen Espresso zubereiten!«, sagte Landrulli.
»Wenn es
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