Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
noblen Willkommensgruß anbringen. Ich habe ein paar Flaschen Incrocio Manzoni mitgenommen, einen guten Weißwein, der sich für große Anlässe eignet. Dort waren fünf Verantwortliche, ein Angestellter und ein Wachmann. Der Angestellte und der Wachmann stammten nicht aus unserer Gegend. Ich habe herausgefunden, dass die Firma aus Mailand war, aus dem Westen also. Sie haben höflich getrunken, ohne große Begeisterung, und sind dann wieder zu ihrer Arbeit gelaufen, zu den Lastwagen, und der Angestellte im dunklen Anzug mit Krawatte hat zu mir gesagt: ›Es war mir ein Vergnügen, Signor Pierini‹, und das mit einem so spöttischen, so spitzen Unterton, der mir überhaupt nicht behagt hat. Er hat mir auch die Hand gegeben, eine kalte, teilnahmslose Hand, und auch während des Händedrucks hat er sich mir nicht angenähert, sondern ist eher zurückgewichen.
Sie waren also Mailänder. Für Mailand hatte ich noch nie was übrig. Dreckig und auf dem Bahnhof geht es zu wie im Tollhaus. Ich bin ein einziges Mal in Mailand gewesen, bei Verwandten. Sie waren in die Einöden der Lombardei ausgewandert und hatten unsere Gegend und ihre Wasserläufe, die Pappelwälder und den Hechtfang hinter sich gelassen, um in grauenhaften Möbelfabriken oder in großen Wurstfabriken mit angeschlossenen Schlachthäusern zu landen, wo sie Scheiße und Blut schippten, ein Ende, das für reinrassige Halbpächter mit Traktoren und Melonenfeldern ein unwürdiges Ende war. Nur mein Vater ist auf seiner Scholle geblieben, auch wenn er nicht lange brauchte, bis er begriff, dass der Boden nichts anderes war als eine Schicht Erde und dass sich darunter ein Haufen Kies befand und dass man zum Bau von Straßen und Häusern Kies brauchte, der viel begehrter war als der Ertrag eines wenige Hektar großen Maisfelds.
Den Kies haben die Flüsse auf ihrer Wanderung in die Ebene mitgeführt. Der Kies ist etwas Natürliches. Aber er hinterlässt ein Loch, was konnte ich daran ändern?
Sie waren also Mailänder. Das erklärte auch die ganze Technik. Diesen Aufbau von Schornsteinen und Maschinen. Das liegt ihnen im Blut: Schornsteine und Maschinen bauen. Für das Land haben sie nichts übrig, im Gegensatz zu unseren Leuten hier. Sie sind für die Maschinen. Alle Leute aus dem Westen sind für die Maschinen. Die Mailänder und die Turiner: Maschinen. Der Angestellte, ein Mailänder, ein Spötter: Das ist seine Natur. Die Mailänder haben einfach dieses großherrschaftliche Gehabe. Als hätten sie das große Los gezogen und wir bloß Nieten. Außerdem kostet bei ihnen die Technik weniger, sie haben die Taschen voll mit Technik. Und das reiben sie uns unter die Nase.
Tja, das alles habe ich dann eines Abends in der Bar erzählt. Am Schluss war ich wirklich auf Hochtouren. Es war so lange her, dass ich ins Dorf hinunter, in die Bar, gegangen bin. Ich habe andere Laster. Und schließlich war die Sympathie zwischen mir und dem Dorf nicht mehr allzu groß. Aber ich konnte doch nicht einfach schweigend zusehen, wie wir uns in eine Mailänder Kolonie verwandelten. Die vier Stammgäste haben mir recht gegeben und gesagt, dass der Gestank der Deponie besser sei als der Rauch aus der Verbrennungsanlage. Der Barista hat mich, an die Theke gelehnt, aus der Ferne beobachtet. Er hat den Kopf geschüttelt. Man müsste etwas tun, habe ich vorgeschlagen. Aber was?
Direkt exponieren konnte ich mich nicht. Also war hier ein kleiner Appell an das moralische Empfinden vonnöten. Antonietta ist eine, die studiert hat und sich ausdrücken kann, und dann ist es auch Sache der jungen Leute, ihre Zukunft zu verteidigen. So haben sie und eine Freundin, zusammen mit deren Mamma, einer Katechetin, beschlossen, ein Plakat zu beschriften und ans Schwarze Brett der Pfarrgemeinde zu hängen, um die Umweltverschmutzungen anzuprangern.
›Wie? Etwa alle Umweltverschmutzungen?‹, habe ich Antonietta gefragt.
›Anders geht es nicht …‹
›Aber du stellst uns und die Mailänder auf ein und dieselbe Stufe? Wie lautete doch gleich dieser Satz? Hier: Es gibt Verschmutzungen, die wiegen schwer wie Berge, und andere, die sind leicht wie Federn.‹
›Wir werden eine Bürgerversammlung zu dem Thema befragen. Der Pfarrer wird die Initiative unterstützen.‹
›Mal eine angemessene Einmischung der Kirche!‹
Der Pfarrer hat sich gewaltig ins Zeug gelegt, um die Versammlung zu organisieren, und wer weiß welcher Engel ihn inspiriert hat. Die Ministranten sind von Haus zu Haus gezogen mit einem
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