Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
der Familie getrennt, nicht einmal ein Auto hatte sie, und …
»Und …?«
Ja, zu viele extravagante Freundschaften, etwa mit Giovanin el tetàro , dem Duo Barabissi, der alten Tonia, dem Zwerg Bebo, also mit den schrägen Vögeln von Treviso. Sie hätte gut nach Sant’Artemio gepasst, vielleicht wäre sie lieber Irrenärztin als Verkäuferin geworden.
»Kurz zusammengefasst: Eurer Meinung nach ist der Mörder also unter diesen Randexistenzen zu suchen …«
»Aber nein, Signor Inspektor. Es ist doch nur so, dass die Abgedrehten im Allgemeinen Leute anziehen, die ihrerseits nicht ganz normal sind.«
»Richtig.«
Sie hatten sich mächtig ins Zeug gelegt, die Verkäuferinnen. Stucky war mit ihnen zufrieden, weil sie wie eine Ermittlungskommission vorgingen.
Er beauftragte Landrulli, mit der alten Tonia, die in der Nähe des Busbahnhofs Maronen röstete, ein kleines Schwätzchen zu halten, während er selbst sich Checo Malaga widmen würde.
Er traf ihn an der üblichen Stelle an, nämlich auf den Stufen der Piazza sitzend, während der kleine Ali durch die Menge schlenderte.
»Signor Malaga, buongiorno .«
»Signor Inspektor …«
»Ich müsste Ihnen ein paar Fragen im Zusammenhang mit Signorina Schepis stellen …«
»Das ist jetzt gar keine gute Zeit! Es kommen Unmengen von Leuten vorbei. Oder wollen Sie mir den Tag verderben …?«
»Es ist wichtig, Signor Malaga!«
»Wenn es sich um etwas Ernstes handelt, nennen Sie mich Signor Farina oder Francesco.«
»Also, Signor Farina, Sie kannten doch Signorina Schepis. Gab es zwischen Ihnen beiden so etwas wie Vertraulichkeit?«
»Vertraulichkeit … das ist ein großes Wort. Vertraulichkeit zwischen einem blinden Alten und einem schönen Mädchen …«
»Hat Ihnen Ali gesagt, wenn schöne Mädchen vorbeikamen?«
»Machen Sie Witze? Ich kann die schönen Frauen spüren!«
»Und die Schepis, wie haben Sie die gespürt?«
»Da waren ihr Gang, von einmaliger Harmonie, der Klang ihrer Stimme, die Textur ihrer Haut … wenn sie mir die Hand gab. Sie können so etwas nicht wissen. Sie können nicht wissen, wie ihre Hände schmeichelten. Wie Balsam, wie ein göttlicher Hauch. Man fühlte die Menschlichkeit, eine Persönlichkeit mit Tiefgang …«
»Hat sie je mit Ihnen über sich selbst gesprochen? Ob sie einen festen Freund hatte … einen Liebhaber …«
»Sie hat sich über die Liebe lustig gemacht …«
»Was hat sie Ihnen denn gesagt?«
»Die Liebe ist nur eine Gelegenheit, nicht allein zu sein.«
»Oho!«
»Und sie meinte, dass Gott die billigste Medizin gegen die Angst sei …«
»Also weder Liebe noch Gott …«
»Im Gegenteil: Sie war gläubig und behauptete, sich in jeden schönen Menschen zu verlieben, dem sie begegnete.«
»Also hatte sie oft Gelegenheit, nicht allein zu sein, und genoss den Schutz eines Heilmittels gegen die Angst …«
»Wie wir alle, oder?«
»Ali wird sie wohl fotografiert haben, oder?«
Ali hielt sich vorsichtshalber hinter einer Säule versteckt.
»Ali macht das, was ich ihm sage. Er ist ein braver Junge.«
»Könnte ich die Fotos von der Schepis sehen?«
Fröstelnd zog der Mann seinen Mantel noch enger um sich.
»Ich schicke Ali morgen früh ins Polizeipräsidium. Geht das in Ordnung?«
Im Büro traf Stucky Landrulli Maronen schälend an.
»Die habe ich ihr abkaufen müssen.«
»Was hast du von der alten Tonia erfahren?«
»Sie hat mich gesegnet, weil ich ein teron bin, und sich erkundigt, ob es stimmt, dass die Chinesen bei der Handelskammer einen Antrag gestellt hätten, künftig auch Maronen verkaufen zu dürfen.«
»Und über die Schepis?«
»Nichts Sachdienliches. Sie hat ihr Geld gegeben …«
»Die Schepis ihr?«
»Nein, die Alte der Schepis! Damit sie für sie Lotto spielt. Es scheint, dass das Mädchen ein glückliches Händchen hatte und der Frau zu ein paar Gewinnen verholfen hat …«
»Kaum zu glauben!«
»Warum? Auch von Ihnen, Signor Inspektor, heißt es, Sie seien ein Polizist mit einem glücklichen Händchen.«
»Immer noch diese alte Geschichte! Landrulli, jetzt schicke ich dich zu Giovanin el tetàro , zumal du ihn leicht findest.«
»Was bedeutet tetàro eigentlich?«
»Das wirst du gleich merken.«
»Kann ich nicht zum Duo Barabissi gehen?«
»Ich weiß nicht, ob du bei denen heil davonkämst …«
Beim Duo Barabissi handelte es sich in Wirklichkeit um zwei Männer, die mit Unterwäsche handelten, für Damen und für Herren, und gemeinsam Inhaber eines schönen Ladens
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