Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
Signor Inspektor?«
»Fünf.«
»Eine Torta Caprese , Signor Inspektor! Einen Schokoladenkuchen, ursprünglich aus Capri.«
Stucky erinnerte sich an die Brösel, die im Staubsaugerbeutel der Rumänin gefunden worden waren.
»Aber … Dadà …! Alle Geschäfte sind schon geschlossen, und Sie sind noch …«
»Hast du schon einmal versucht, auf einem Stapel Teppiche zu schlafen?«
»O ja, meine Mutter hat, als ich klein war, einen großen Teppich viermal zusammengefaltet und mich daraufgelegt, damit ich mein Nachmittagsschläfchen halten konnte.«
»Und wie ist es so?«
»Gut …«
»Der Teppich verbindet dich mit der Erde, trennt dich nicht von ihr …«
»Das stimmt …«
»Wie geht es mit deiner Arbeit?« Der Ältere lehnte sich an das Schaufenster und studierte eingehend die Silhouette der Brücke und das dunkle Wasser, das, den Ecken der Häuser ausweichend, dahinfloss.
»Es geht schon besser ….«
»Der kluge Mensch kann auch einen Hintern aus Kupfer haben, sein Kopf bleibt trotzdem immer aus Gold.«
»Lieber Dottore, ich hätte wissen müssen, dass die Mailänder Feiglinge sind, man kennt das ja aus der Geschichte der Serenissima. So ist nicht etwa ein Besitzer gekommen, ja, nicht einmal ein Verwandter des Besitzers. Nein. Gekommen ist der bevollmächtigte Ingenieur, ein Glatzkopf mit flaumigem Haarkranz, Brille mit Goldrand, gepflegtem Bärtchen und kariertem Anzug. Die Brillenkette hing ihm um den Hals wie ein Brustbeutel, und die Pfeife stellte er zur Schau, rauchte sie aber nicht, weil er keine Zeit zu verlieren hatte. Er hat gleich das Heft in die Hand genommen. Prozesswärme, Oberflächenfilter, und er brannte so ein ganzes Wortfeuerwerk ab, um uns zu blenden, und schließlich haben auch die Nonna und die Mamma gefragt, ob bei der Verbrennungsanlage, unserer strahlenden Zukunft, noch Stellen frei wären. Und alle die Trottel sind darauf hereingefallen, weil die Müllverbrennungsanlage Technik ist und Technik Sicherheit bedeutet, und weil es besser ist, die Abfälle zu verbrennen und daraus Energie zu gewinnen, weil wir so den Arabern eins auswischen; der Ingenieur hat das natürlich nicht so gesagt, aber es war schon klar, und der Toni, der aus der ersten Reihe, der schrie: ›Den Arabern eins auswischen!‹, und alle klatschten Beifall, dass es nur so eine Freude war. Schon träumten alle von der Spülmaschine, die ihnen dank Haselnussschalen und Sardinendosen das Geschirr abwäscht. Ich hab Antonietta angeschaut und gesehen, wie verzückt sie war, eine Verzückte unter lauter Verzückten, der Zauber des Ingenieurs und seiner erloschenen Pfeife wirkte, und sie starrte tatsächlich auf diesen ungenutzten Gegenstand, als es bei mir plötzlich klingelte. Mir kam tatsächlich eine Idee. Ja, aus mir platzte ein Argument heraus, als ich zu ihm sagte: ›Wie kommt es, dass Sie dann, wenn die Anlage doch so sicher ist, in Portogruaro wohnen und sich lieber aufreiben und die sechzig Kilometer hin- und zurückfahren, als in das Häuschen neben der Verbrennungsanlage zu ziehen?‹
Die ganze Versammlung hielt den Atem an, man hörte das Mikrofon aus dem Besitz der Pfarrgemeinde brummen und noch ein paar Handys im Hintergrund vergeblich klingeln. Der Ingenieur schwitzte und schwieg. Dann sagte er, er habe zwei Kinder im schulpflichtigen Alter, und daraufhin dachten alle, er wolle damit sagen, dass unsere Schule nicht dem Niveau der Ingenieurskinder entspreche, und die Lehrerin, die mitten in dem Haufen saß, pfiff ihn aus.
›Tatsache ist‹, wendete ich mich an alle, ›dass es für uns gesund und für die Ingenieure und die Mailänder ungesund ist, die diese Dinger nicht in Mailand und Umgebung bauen. Sie bauen sie hier, auf unseren Feldern, auf unserem Land, auf Grund und Boden, der für Kies und Maiskolben bestimmt ist!‹
Ich wusste, dass es zu Rangeleien kommen würde; es waren auch einige Gebirgsjäger da, mit Federn an den Hüten, und als ich sah, dass sie aus Wut die Hüte absetzten, was sie sonst nicht einmal auf dem Friedhof taten, habe ich gedacht: Geschafft! Und außerdem waren da noch all die Bauern mit den Simmentalern und den Friesischen im Stall, denen es ganz recht ist, wenn sie sauberen Regen und einwandfreies Futter haben. Sie haben den Ingenieur angeschrien, aber der hat, zu meiner Überraschung, angefangen, vor sich hin zu lachen, in seinen Bart hinein, als wüsste er besser Bescheid und würde uns nur nicht klipp und klar sagen, wie die Dinge tatsächlich standen. Während
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