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Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Titel: Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fulvio Ervas
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zurückgestutzt wurden. Die Abstellflächen für die Fahrzeuge waren in gutem Zustand und mit robusten Fahrradständern aus Schmiedeeisen ausgestattet, eine Hommage an das örtliche Handwerk, ebenso wie die Bänke, zwei rechts und zwei links von jedem Hauseingang, massive, grün angestrichene Holzbänke mit gefälligen Rundungen. Und als wäre das nicht genug, durften alle hier vertretenen Kontinente nach Herzenslust, nur an eine grundsätzliche Übereinkunft mit dem Architekten gebunden, Fahnen und sonstige Dekorationen ihrer Herkunftsländer zur Schau stellen.
    Stucky erkundigte sich bei ein paar verschleierten Matronen, die mit anderen Afrikanerinnen und Afrikanern um den Eingang herum saßen, nach Ali.
    »Oberster Stock, Familie Ali«, sagte eine.
    »Ali nicht da. Familie auch nicht. Nein …«
    »Ali fort.«
    »Wann?«
    »Früh.«
    »Familie arbeiten. Auch Ali arbeiten.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Alle arbeiten.«
    Wenig überzeugt warf Stucky einen Blick in die Eingangshalle und stellte sich vor, jemand würde als Ausrede vorbringen, der Lift sei defekt. Dann würde es sicher keinen Spaß machen, sich zu Fuß in den sechsten Stock begeben zu müssen.
    Er spürte, dass ihn ein Gefühl der Leere und jene Stimmung befiel, die die Abenddämmerung mit sich zu bringen pflegt, und er erinnerte sich daran, dass die Anlage mit den Eigentumswohnungen, wo die Schepis wohnte, eigentlich nur wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt lag.

    »Landrulli, bist du’s?«
    »Ich bin dem Typen auf den Fersen. Er wohnt in der Nähe des städtischen Schlachthofs. Außerhalb …«
    »Diese Gegend kenne ich. Mach deine Arbeit, und wir sehen uns morgen früh im Büro. Zu einem Brainstorming, ich und du …«
    »Signor Inspektor, ich erinnere Sie daran, dass morgen Sonntag ist. Und dann dieses Brain… was weiß ich, das habe ich noch nie gemacht. Nicht einmal allein.«
    »Landrulli, das ist so ein blödsinniger Ausdruck, der bedeutet, dass man seine Meinungen austauscht. Lass dich bloß nicht verunsichern!«

19. D EZEMBER
    Schon wieder Weihnachten. Eigentlich war schon seit Wochen Weihnachten, es war ein Prozess, kein Datum. Die Geschäfte rüsteten sich für den Endspurt.
    Wann war er selbst das letzte Mal weihnachtlich gestimmt gewesen?
    Stucky fragte sich, ob er sie überhaupt je empfunden hatte, diese Weihnachtsstimmung, ob ihn sein Gedächtnis nicht trog.
    Ob Signor Springolo jemals einen Sinn für die Weihnachtsstimmung gehabt hatte? Das Duo Barabissi? Giovanin el tetàro ? Landrulli?
    Und Signorina Schepis?
    Er betrachtete die Brioche, die man ihm auf das Tellerchen gelegt hatte.
    Zwei oder drei große Firmen, die Tiefkühlkost herstellten, teilten sich das kolossale Segment des Guten-Morgen-Marktes, indem sie den Kunden winzige Teigmischungskugeln, bleich wie der Tod, andrehten, die von diesen in den Mikrowellengeräten zum Leben erweckt werden sollten. Alle identisch aussehend, alle gleich schmeckend. Es blieben nur noch wenige Bäckereien übrig, und auch die standen bereits auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Just im vergangenen Jahr hatte ein Bäcker, einer dieser letzten Aufrechten, seinen Besitz verkauft, und das Rezept seines mit Marmelade gefüllten Croissants war auf der Suche nach mehr Menschlichkeit Richtung Brasilien geflogen.
    Werden wir als reiche Menschen sterben? Er fand den Gedanken beklemmend.
    Um Punkt neun Uhr wurde er auf seinem Weg ins Polizeipräsidium Zeuge der feierlichen Öffnung der Geschäfte, die wie Winterblumen aufblühten. Die in Mäntel gehüllten Verkäuferinnen rissen die Türen weit auf, löschten die Schaufensterbeleuchtung und schalteten die Lampen im Inneren der Läden ein. Stucky begrüßte sie, zumindest die, die er sah, und die eine oder andere erwiderte seinen Gruß auch, nachdem sie ihn erkannt hatte, oder einfach nur aus Höflichkeit. Einige klopften den Fußabtreter vor dem Eingang aus, andere standen aristokratisch und mit verschränkten Armen an der Kasse und sprachen ein Mantra oder irgendeinen Nietzsche-Refrain vor sich hin. Aus den Augenwinkeln sah er, dass das Kleidergeschäft der armen Schepis trotz des schweren Unfalls von Signora Veneziani geöffnet war und gerade einen Kundenansturm erlebte wie seit Jahren nicht mehr. Sicher, hier wurden Kleider der Nobelklasse verkauft, keine bunten Nullachtfünfzehn-T-Shirts. Neugierde, krankhafte Neugierde, menschliche Neugierde. Stucky musste lächeln.
    Er begrüßte Signorina Ricci, die, vollkommen wiederhergestellt, auf dem Weg

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