Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
zur Arbeit war.
Die Schepis war in gewisser Weise in weihnachtlicher Stimmung gewesen. Vielleicht lieferten gerade ihre Geschenke, die verpackungsbereit dagelegen hatten, einen Beweis für ihre Zugewandtheit und Zuneigung. Es war nicht schwer, jedes Geschenk einer ihrer Freundschaften zuzuordnen. Nur die goldenen Manschettenknöpfe blieben schrecklich allein.
Landrulli hatte ein Papptablett mit Blätterteiggebäck, das ihm von zu Hause geschickt worden war, ins Büro mitgebracht und drückte es wie den letzten Schutzwall gegen die Schwierigkeiten des Lebens an sich. Er träumte wohl von Struffoli, diesen klebrigsüßen neapolitanischen Weihnachtskügelchen. Er hoffte immer noch, über die Festtage nach Hause fahren zu können, fürchtete aber, dass die Arbeit ihn nicht loslassen würde.
Er versuchte, Zeit zu gewinnen, indem er das Viertel beschrieb, in dem Tarfusser wohnte, und ein paar Details zur Verkehrsausschilderung, zu den Bürgersteigen lieferte. Dann musste er zugeben, dass der Mann in der Gegend überhaupt nicht bekannt war, anonym wie ein Straßenkehrer.
Er hatte ihn am Abend gesehen, wie er sich zu seiner kleinen Praxis in Santa Bona begab, wo ein Messingschild mit der Aufschrift Psychologe hing und wo er sich mit einem Klienten, einem jungen, kräftigen Kerl, abgab, und beobachtet, wie er nach Hause zurückkehrte, wo er bald zu Bett ging.
»Ist das ist alles?«
»Ich habe das Autokennzeichen des Klienten …«
»Ich weiß schon, wer das ist.«
»Aber wie …?«
»Der Observierte selbst hat es angedeutet. Und ich habe eine erste Überprüfung des Mannes vorgenommen …«
»Kommt er infrage?«
»Ich weiß nicht. Er ist eine Person, die vom Umkreis der Schepis sehr weit entfernt ist. Wenn ich ehrlich sein soll, sehe ich keine Verbindungen.«
»Aber der Mann, den ich observiere, warum sollte er Ihnen dann diesen Tipp gegeben haben?«
»Eben.«
»Warum sagen Sie das jetzt, Signor Inspektor?«
»Das werde ich dir erklären.«
Tarfusser hatte nicht damit gerechnet, dass Inspektor Stucky ihn vor der Haustür erwarten würde. Er war bei der Detektei gewesen, Comandante Di Nolfo hatte ihm seine Anweisungen gegeben, und er war, ein bisschen geknickt, zum Mittagessen nach Hause gegangen.
»Ein Kotelett«, sagte er zu Stucky, »und ich habe auch eins für Sie.«
Stucky musste schmunzeln; denn mit seinem unvorhergesehenen Besuch hatte er bewirkt, dass der Akzent des jungen Tirolers voll durchbrach.
»Dankend angenommen«, antwortete der Inspektor und klopfte seinen Mantel ab, auf den ein Schwall Kaltluft Straßenstaub geweht hatte.
Er folgte ihm durch das Treppenhaus – alt und finster, abgegriffener Handlauf, vergilbte Wände, Indizien für Streitereien unter den Eigentümern über Instandhaltungsmaßnahmen, über die man sich niemals hatte einigen können. »Wir sind hier alle nur Mieter auf Abruf«, sagte der Mann fast so, als redete er mit sich selbst.
»Und Sie, wo werden Sie hinziehen?«
»Ich möchte zurück nach Brixen. Ja, ich glaube, ich gehe zurück nach Brixen …«
Mit einer gewissen Anstrengung ließ er das Schloss aufspringen, während er sich auf einer abgetretenen Fußmatte reflexhaft die Schuhe abputzte.
»Ich weiß, warum Sie mich sprechen möchten«, sagte Tarfusser.
»Es muss etwas geklärt werden …«
»Sie möchten herausfinden, was mich dazu gebracht hat, mit so großer Leichtigkeit gegen mein Berufsethos zu verstoßen.«
»So ungefähr.«
»Nehmen Sie Platz«, sagte er und zeigte auf ein Sofa, während er sich zur Kochnische begab.
»Bürgersinn, glaube ich.«
»Das ehrt Sie …«
»Während ich das Essen zubereite, hören Sie sich mal diese Kassette an. Es ist eine Sitzung, die ich aufgenommen habe. Ja ja, ich weiß, das Berufsethos! Aber hören Sie erst einmal zu, Signor Inspektor.«
Er machte sich an einem Tonbandgerät zu schaffen.
»Nicht dass das Zeitalter der Mülldeponien vorbei wäre, es ist vielmehr das Modell des Familienbetriebs, das sich in einer Krise befindet. Wenn du außer der Deponie keine beweglichen und unbeweglichen Güter besitzt, bist du geliefert. Sie erledigen dich. Da sage ich also zur Mamma und zur Nonna in der Hoffnung, dass sie es an Antonietta, diese Verräterin, weitergeben: Man gibt auf, bevor man schließt. Man verkauft, bevor der offizielle Umsatz die Käufer abschreckt, weil der schwarz erzielte Gewinn bekanntlich einem auch nicht weiterhilft, wenn man erst dann dichtmacht, wenn einem das Wasser schon bis zum Hals steht.
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