Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
wir das behaupten können.«
Aus Hauptmann Westers Kehle kam ein Grollen, wie bei einem Hund, der sich auf den Angriff vorbereitet. Cithrin spürte, wie sie zurückweichen wollte, aber sie ließ nicht zu, dass ihr Körper dem Drang nachgab.
»Wir können behaupten«, sagte der Hauptmann, »dass die Arbeit nicht schneller erledigt wird, wenn wir gute Luft auf diese Frage verschwenden.«
»Entschuldigung, Herr«, sagte der Tralgu.
Meister Kit nickte entschuldigend und ging die schmalen Holztreppen hinab zur Straße. Sandr und Horniss, die mit einer Kiste voller Juwelen heraufkamen, drückten sich an die Wand, um ihn durchzulassen. Cithrin rückte weiter, damit sie genug Platz hatten, die neue Kiste Yardem zu reichen, und damit Yardem Platz hatte, in der neuen Unterkunft einen Stellplatz dafür zu suchen. Eine kalte, feuchte Brise und der Geruch nach frischem Pferdedung trieben zusammen mit dem Tageslicht durch die offenen Fenster herein. Cithrin dachte, dass es sich nach Frühling anfühlte.
»War er als Junge ein Priester?«, fragte Marcus und deutete mit dem Kinn die Stufen hinab. »Wenn er anfängt, über Glauben und Zweifel und das Wesen der Wahrheit zu sprechen, ist es, als wären wir wieder bei der Karawane und würden zu jeder Mahlzeit eine Predigt bekommen.«
»Was er sagt, ergibt einen Sinn«, erklärte Yardem.
»Für dich«, entgegnete Marcus.
»Ich nehme an, er könnte durchaus ein Priester gewesen sein. Er ist eben Meister Kit«, meinte Horniss mit einem Schulterzucken. »Wenn er uns sagen würde, dass er einen Berghang hinaufgestiegen ist und Bier mit dem Mond getrunken hat, würde ich ihm vermutlich glauben. Wir haben noch zwei Kisten, die so groß sind wie diese, und dann all diese Wachsblöcke.«
»Wachs?«, entgegnete Marcus.
»Die Bücher«, sagte Cithrin, aber die Worte kamen als Krächzen heraus. Sie hustete und fing noch einmal an. »Die Bücher und Register. Sie sind versiegelt, damit sie nicht feucht werden.«
Was sehr gut ist , dachte sie, denn wir haben sie in einem Mühlenweiher versenkt . Sofort kam ihr ein Riss in dem Siegelwachs in den Sinn. Seitenweise verschmierte Tinte und verrottendes Papier, das sich hinter den Schutzhüllen verbarg. Was, wenn die Bücher ruiniert waren? Was würde sie dann Magister Imaniel sagen? Was würde sie den Bankleuten in Carse sagen?
»Na gut, bringt sie herauf«, meinte Marcus. »Wir werden irgendwo einen Platz dafür finden.«
Horniss nickte, aber Sandr ging bereits die Stufen hinab. Er hatte Cithrin nicht einmal angesehen. Sie sagte sich, dass es ihr nichts ausmachte.
Ihr war deutlich bewusst, dass die neue Unterkunft nicht ganz zu Hauptmann Westers Zufriedenheit war. Anders als die Zimmer im Salzviertel befanden sich diese hier im ersten Stock und hatten Böden aus Holzdielen, so dass man im Stockwerk darunter jede Bewegung in einer knarrenden und knackenden Sprache hören konnte. Der Laden im Erdgeschoss war eine Spielbude, was bedeutete, dass beliebig viele Leute jeglicher Stellung tagsüber kommen und gehen konnten. Aber das Schloss am Fuß der Stufen war solide, die umgebenden Straßen waren weniger anfällig für Betrunkene und Herumirrende, und die Fenster hatten keinen Balkon oder einen anderen einfachen Zugang. Außerdem gab es ein Fenster zu einer Gasse, durch das man den Nachttopf ausleeren konnte, und nach dem Ortswechsel waren sie nur fünf Türen von einer Schenke entfernt, in der sie Essen und Bier kaufen konnten.
Cary und Mikel kamen als Nächste herauf.
Cary grinste. »Ein Junge auf der Straße hat uns gefragt, was wir schleppen«, sagte sie.
Cithrin konnte die Anspannung auf Hauptmann Westers Gesicht sehen, als er zum Fenster ging und hinausspähte.
»Was habt ihr ihm gesagt?«
»Strasssteine für die Feierlichkeiten zum Ersten Tau«, erklärte Cary. »Wir haben auch eine der Kisten für ihn geöffnet. Ihr hätten es sehen sollen. Er hat so enttäuscht gewirkt.«
Cary lachte; den Zorn auf Hauptmann Westers Gesicht bemerkte sie nicht. Oder vielleicht bemerkte sie es doch und ließ sich davon nicht beeindrucken. Opal war im Verlauf der Tage, während derer sie sich nach einer neuen Unterkunft umgesehen und darauf vorbereitet hatten, den geschmuggelten Reichtum von Vanai in sein neues Versteck zu bringen, nur einmal erwähnt worden: Smit hatte gescherzt, dass sie eine Möglichkeit gefunden hätte, sich der harten Arbeit zu entziehen. Niemand hatte gelacht.
Cithrin bereitete es immer noch Mühe zu glauben, dass es wirklich
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