Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
wird sie entscheiden, wo sie wohnt, wie und ob sie sich schützt, und all die anderen Dinge, die mit ihrem Beruf einhergehen. Und ich nehme an, Ihr werdet auch hier sein, an ihrer Seite und zu ihrem Schutz. Aber nur als Ihr angeheuerter Hauptmann.«
»Ist es nicht das, was ich die ganze Zeit über getan habe?«, fragte Marcus.
»Es ist nicht das, was Ihr getan habt«, antwortete Meister Kit. »Wenn Ihr das getan hättet, hättet Ihr Cithrin gefragt, bevor Ihr Opal getötet habt.«
»Sie hätte mir befohlen, es nicht zu tun.«
»Und ich denke, das ist der Grund, weshalb Ihr nicht gefragt habt. Und weshalb Ihr die Zeit fürchtet, da Ihr fragen und Euch auf ihr Urteil verlassen müsst, auch wenn Ihr denkt, dass sie nicht recht hat.«
»Sie ist ein kleines Mädchen«, sagte Marcus.
»Alle Frauen waren einst kleine Mädchen«, erklärte Meister Kit. »Cithrin. Cary. Die Königin von Birancour. Sogar Opal.«
Marcus fluchte leise. Draußen auf der Straße rief der Mann von der Spielbude: Man könnte ein großes Vermögen besitzen. Einsätze zu einem angemessenen Angebot.
»Es tut mir leid wegen Opal«, sagte Marcus.
»Ich weiß, dass es Euch leidtut«, erwiderte Meister Kit. »Mir auch. Ich habe sie sehr lange gekannt, und ich habe mich mehr als die Hälfte dieser Zeit ihrer Gesellschaft erfreut. Aber sie war, wer sie war, und sie hat ihre Entscheidungen getroffen.«
»Ihr seid ihr Liebhaber gewesen, oder?«, fragte Marcus.
»Nicht in letzter Zeit.«
»Und sie war Teil Eurer Truppe. Sie war mit Euch unterwegs. Sie war eine von Euch.«
»Das war sie.«
»Und Ihr habt zugelassen, dass ich sie töte«, sagte Marcus.
»Ja«, erwiderte Meister Kit. »Ich glaube, dass Konsequenzen eine gewisse Würde innewohnt, Hauptmann. Ich denke, dass sie eine Art von Wahrheit besitzen, und ich versuche, mir einen tiefen Respekt für die Wahrheit zu bewahren.«
»Was heißt, dass das ein Fehler ist, den Cithrin machen muss.«
»Wenn es das ist, was Ihr in meinen Worten gehört habt.«
Yardem zuckte mit dem Ohr, und seine Ohrringe klimperten gegeneinander. Marcus wusste, was der Tralgu dachte. Sie ist nicht deine Tochter. Marcus stellte den Fuß an die Wand aus Kisten. Der Reichtum einer Stadt, die es nicht mehr gab. Die Edelsteine und Schmuckstücke, die Seide und die Gewürze, die eingetauscht worden waren, damit die Glücklichen vor den Flammen fliehen konnten. Alles zusammen würde nicht einen der Toten zurückkaufen. Nicht einmal einen Tag lang.
Wo also lag der Sinn darin?
»Ihr Plan ist nicht schlecht«, sagte Marcus. »Aber ich habe das Recht, ihn zu hassen.«
»Ich kann diese Position respektieren«, erwiderte Meister Kit mit einem Grinsen. »Sollen wir das Ölbad für die zukünftige Gründungsurkunde der Medean-Bank von Porte Oliva vorbereiten, ehe die Frauen zurückkommen?«
Marcus seufzte und erhob sich.
Als der Morgen kam, ging Marcus neben ihr. Vormittags war es immer noch kalt, aber nicht so kalt, dass der Atem sichtbar wurde. Männer und Frauen der drei vorherrschenden Rassen der Stadt gingen aneinander vorüber, als wären ihre unterschiedlichen Augen, Körperformen und Pelze von keiner besonderen Wichtigkeit. Der Morgennebel trieb über den großen Platz und färbte das Pflaster aus Drachenjade grau. Die Verurteilten der Stadt zitterten in der Kälte, wo alle es sehen konnten. Zwei Erstgeborene, aufgehängt als Mörder. Eine Cinnae saß als uneinsichtige Schuldnerin mit Ketten um die Fußgelenke zwischen den Blöcken. Ein Kurtadam hing an den Knien und konnte kaum atmen. Ein Schmuggler. Marcus konnte spüren, wie Cithrin innehielt. Er fragte sich, wie die Bestrafung für das aussah, was sie gerade vorhatten. Es schien unwahrscheinlich, dass es in den Verzeichnissen der Richter einen Präzedenzfall gab.
Die breiten Türen aus Kupfer und Eiche zum Palast des Statthalters waren bereits geöffnet, ein Strom von Menschen ging im Zentrum der Autorität ein und aus. Cithrin hob das Kinn. Smit hatte ihr das Gesicht bemalt, ehe sie gegangen waren. Schwache Linien in Grautönen um die Augen herum. Auf den Wangen eine Röte, die ins Graue und Rosafarbene ging. Sie trug ein schwarzes Kleid, das den Hüften schmeichelte, aber auf eine matronenhafte Art. Nicht wie ein Mädchen, das frisch aus dem Haus ihres Vaters kam. Sie hätte dreißig sein können. Sie hätte fünfzig sein können. Sie hätte alles sein können.
»Kommt mit mir«, sagte sie.
»Geh nicht aus den Sprunggelenken heraus«, sagte er, und sie wurde
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