Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
hatte, hatte den Jungen verändert. Jorey wirkte um mehr als ein Jahr gealtert, wie er hier vor ihm im Sonnenzimmer saß. Seine Wangenknochen hatten das hagere Aussehen, das man mit der Zeit im Feld bekam, und das Lächeln, das sich bei ihm stets hinter jeder Miene verborgen hatte, war fort. Erschöpfung zog die Schultern des Jungen nach unten, und er roch nach Pferdeschweiß und ungewaschenem Soldaten. Jorey und Coe hätten als Vettern durchgehen können, und das erschien Dawson wie ein Detail aus einem Traum. Dawson erhob sich, und der Boden neigte sich merkwürdig unter ihm. Er ging zu den Fenstern und blickte auf die Gärten hinaus. Die Schatten wurden noch vom Schnee heimgesucht, und der erste Andrang von Grün ließ die Rinde der Bäume weniger hart scheinen. Weiter hinten blühten die Kirschbäume weiß und rosarot.
Geder Palliako hat Vanai niedergebrannt.
»Er hat es uns nicht einmal plündern lassen«, sagte Jorey. »Es war auch gar nicht richtig Zeit dafür. Er hat am Tag davor einen Boten geschickt. Ich habe Pferde zuschanden geritten, als ich versucht habe, schneller hier zu sein als er.«
»Du hast es beinahe geschafft«, hörte sich Dawson sagen.
»Weiß er, dass du derjenige warst, der Geder eingesetzt hat?«
Dawson brauchte beinahe einen Atemzug, um die Frage zu verstehen, und zu diesem Zeitpunkt war sein Verstand schon mit eigenen Fragen beschäftigt.
»Weshalb hat Palliako es getan?«, fragte Dawson. »Wollte er versuchen, meine Autorität zu untergraben?«
Jorey blieb eine Weile still und blickte in die glänzenden Augen des Hundes vor ihm, als würden sie eine private Unterhaltung führen. Als er schließlich etwas sagte, kamen seine Worte zögerlich.
»Ich glaube nicht«, erklärte Jorey. »Es ist übel gelaufen. Er hat einige schlechte Entscheidungen getroffen, und die haben Früchte getragen. Er wusste, dass ihn niemand ernst genommen hat.«
»Er hat eine der Freistädte niedergebrannt, weil er sich blamiert hat?«
»Erniedrigt«, sagte Jorey. »Weil er erniedrigt worden ist. Und weil es anders ist, wenn man es nicht vor sich hat.«
Einer der Hunde grollte lange und sanft. Eine Drossel flatterte auf einen Ast, spähte zu den beiden Männern herein und flog wieder fort. Dawson legte die Finger an die kalte Glasscheibe des Sonnenzimmers, und die Hitze seiner Haut ließ das Glas beschlagen. Seine Gedanken jagten erst in eine Richtung und dann in die andere. Da gab es den Strom von Schaukämpfern und Söldnern, der nach Camnipol hereindrängte, bezahlt von Issandrian mit Geld aus Asterilreich. Die nichtssagende, unergründliche Miene von Paerin Clark, dem Bankier aus Nordstade. Canl Daskellins Zorn. Und nun die niederbrannte Stadt.
Zu viele Dinge waren in Bewegung, alle in verschiedene Richtungen.
»Das ändert alles«, sagte er.
»Er war danach anders«, sagte Jorey, als hätte sein Vater nicht gesprochen. »Er war schon immer von uns Übrigen abgeschieden, aber vorher ist er ein Clown gewesen. Jeder hat ihn ausgelacht. Sie haben ihn vor seinen Augen verspottet, und in mehr als der Hälfte der Fälle hat er es nicht einmal gemerkt. Aber danach hat niemand mehr gelacht. Nicht einmal er.«
Die Augen des Jungen waren auf das Fenster gerichtet, aber er sah etwas anderes. Etwas Fernes, das jedoch wirklicher war als das Zimmer, das Glas, die Frühlingsbäume im Garten. In dieser Leere gab es einen Schmerz, und er war von einer Art, die Dawson kannte. Er schob das Chaos zur Seite. Sein Sohn brauchte ihn, und wie sehr sie auch nach seiner Aufmerksamkeit brüllte, die Welt würde warten müssen.
Dawson setzte sich hin. Jorey blickte ihn an und dann wieder zur Seite.
»Erzähl mir davon«, sagte Dawson.
Jorey lächelte, aber es drang nicht bis zu seinen Augen vor. Er schüttelte den Kopf.
»Ich bin im Krieg gewesen«, erklärte Dawson. »Ich habe Männer sterben sehen. Die Bürde, die du nun trägst, habe ich auch getragen, und sie wird dich so lange verfolgen, wie du sie für dich behältst. Also erzähl mir davon.«
»Du hast nicht getan, was wir getan haben, Vater.«
»Ich habe Männer getötet.«
»Wir haben Kinder getötet«, sagte Jorey. »Wir haben Frauen getötet. Alte Männer, die nichts weiter mit unserem Feldzug zu tun hatten, als in Vanai zu leben. Und wir haben sie getötet. Wir haben das Wasser abgelassen und sie angezündet. Wenn sie versucht haben, über die Mauern zu entkommen, haben wir sie niedergestreckt.« Seine Stimme zitterte inzwischen, und seine Augen waren
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