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Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
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hat. Auf jeden Fall hat Issandrian den König dann nicht mehr so stark in der Hand. Und wir bewerkstelligen es, ohne uns an Nordstade oder die Medean-Bank zu verkaufen. Dies ist ein überraschendes Geschenk, meine Herren. Wir wären Schwachköpfe, wenn wir es ablehnen. Aber wir müssen jetzt hinausgehen und unsere Fassung der Geschichte erzählen. Wenn der Hof heute Abend zu Bett geht, muss es unsere Geschichte sein, die sie in ihre Kissen flüstern. Warten wir, bis sich eine Meinung gebildet hat, wird es hundertmal schwerer sein, sie zu ändern.«
    »Und wenn Issandrian seine Verschwörung gegen diesen jungen Palliako wendet?«, fragte Baron Nurring.
    »Dann steckt die Klinge, die für Euren Bauch bestimmt war, vielleicht stattdessen in seinem«, erwiderte Dawson. »Also. Sagt bloß, das wäre Euch nicht lieber.«

Geder
    Geders Oberschenkel waren aufgeschürft und nässten. Er hatte Rückenschmerzen. Der Frühlingswind, der von den Höhen herabwehte, roch nach Schnee und Eis. Um ihn herum ritten oder marschierten die Truppen des Feldzugs nach Vanai. Sie sangen keine Lieder, und niemand sprach mit Geder, abgesehen von den reinen Notwendigkeiten, die erforderlich waren, um die paar hundert Männer, Karren und Pferde auf den letzten Tagen der Reise voranzubringen. Selbst in seiner winzigen Unterkunft in Vanai, lediglich von seinem lampenäugigen Knappen begleitet und mit Alan Klins übelsten Aufgaben, die seinen Tag erfüllt hatten, hatte Geder nicht mit solcher Wucht gespürt, wie es war, verlassen in einer Menschenmenge zu sein.
    Er registrierte, wie die Aufmerksamkeit der Männer auf ihm lag, ihre Verurteilung. Natürlich sagte niemand ein Wort. Nicht einer unter ihnen allen erhob sich und sagte Geder ins Gesicht, dass er ein Ungeheuer war. Dass das, was er getan hatte, schlimmer war als ein Verbrechen. Es war nicht nötig, denn Geder wusste es natürlich. In all den langen Tagen und kalten Nächten, seit er sich zurück nach Norden und nach Hause gewandt hatte, war das Brüllen der Flammen nicht aus seinen Ohren gewichen. All seine Träume hatten von Männern und Frauen gehandelt, die sich vor dem Feuer abzeichneten. Er hatte den Befehl gehabt, Vanai zu beschützen, und stattdessen hatte er es vernichtet. Wenn König Simeon befahl, ihn im Thronsaal niederstrecken zu lassen, wäre das nur gerecht.
    Er hatte versucht, sich mit seinen Büchern abzulenken, aber selbst die Legenden über den Rechtschaffenen Diener konnten ihn nicht von der stetigen, nagenden Frage abbringen: Wie würde das Urteil des Königs ausfallen? An seinen besten Tagen stellte sich Geder vor, wie König Simeon vom Gespaltenen Thron herabstieg, um eine königliche Hand auf Geders weinende Augen zu legen und ihn freizusprechen. An seinen schlimmsten schickte ihn der König zurück nach Vanai, damit er zwischen den Toten am Boden angepflockt und von denselben Krähen gefressen wurde, die sich an den zahlreichen Leichen gütlich getan hatten.
    Zwischen diesen Extremen fand Geders Verstand Raum für eine beinahe unendliche Reihe von düsteren Vorstellungen. Und während die Berge und Täler vertrauter wurden und die Drachenstraße sich zwischen Hügeln dahinwand, die er schon hundertmal zuvor gesehen hatte, stellte Geder fest, dass ihm jedes neuerliche Szenario, in dem er sich seinen Tod und seine Erniedrigung ausmalte, eine grimmige Hoffnung bescherte. Würde man ihn anzünden? Das wäre gerecht. Würde man ihn in einen öffentlichen Kerker stecken und mit Scheiße und Tierkadavern bewerfen? Das wäre das, was er verdient hatte. Alles – alles – wäre besser als dieses Aufreiben und stille Bedauern.
    Das große Felsmassiv, auf dem Camnipol stand, erschien am Horizont, Luft und Entfernung färbten den dunklen Stein blau. Die Königshöhe selbst war kaum mehr als ein Splitter aus Licht. Ein einzelner Reiter konnte den Ritt in zwei Tagen schaffen. Die ganze Schar mochte bis zu fünf brauchen. Vermutlich konnten die Kundigen des Königs sie bereits sehen. Geders Blick schweifte immer wieder hinauf zu der großen Stadt, angezogen durch Sehnsucht und Furcht. Mit jeder Meile wurde die Angst größer und der Verkehr auf der Straße dichter.
    Das Ackerland, das die Hauptstadt umgab, war mit das beste der Welt – dunkler Boden, der vom Fluss bewässert wurde und noch durch Schlachten gedüngt war, die man dort vor tausend Jahren ausgefochten hatte. Selbst in der Hungerzeit nach dem Tau roch das Land nach Wachstum und der Verheißung von Nahrung.

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