Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
die sie bei Issandrians Parade zur Schau gestellt hatten. Clara hatte zwei Dienerinnen geholt, die mit Gurkengeschmack versetztes Wasser auf einem Tablett gebracht hatten und gebackenen Käse, der unberührt an der Wand stand.
In der Zeitspanne, seit der Bote an der Seite Simeons eingetroffen war, hatten sich bereits zahlreiche Gerüchte verbreitet. Dawson konnte die Unsicherheit auf den Gesichtern vor sich sehen, und er konnte sie im Lufthauch spüren. Sein eigenes Gefühl der Dringlichkeit kam ihm beinahe wie etwas Lebendiges vor, das ihm über den Rücken kroch. Wenn es gelingen sollte, musste es schnell gelingen, ehe der Hof die Zeit fand zu entscheiden, was die Neuigkeiten zu bedeuten hatten. Bevor Simeon die Zeit dazu fand.
Wie ein Priester vor seiner Gemeinde hob Dawson die Hände. »Das Gemetzel von …«, begann er, dann hielt er inne. »Die Opferung von Vanai ist wie eine Fackel in unserer dunkelsten Stunde gekommen. Und die Rettung des Gespaltenen Throns ist nahe.«
Die Stille war vollkommen.
»Ihr habt den Verstand verloren«, sagte Daskellin.
»Lasst ihn sprechen«, warf der Graf der Flussmark ein.
Dawson nickte dankbar. »Bedenkt Folgendes: Von Geder Palliako ist bekannt, dass er mit Sir Alan Klin zerstritten war, einem von Issandrians engsten Verbündeten, beinahe von Anfang an. Er hat es geschafft, Klin als Protektor von Vanai abzulösen …«
» Er hat es geschafft?«, fragte Daskellin.
»… und anstatt seine Stellung zu benutzen, um Reichtum anzuhäufen oder bei der Hofpolitik mitzuspielen, hat er eine Entscheidung getroffen. Eine mutige und prinzipientreue Entscheidung.«
»Geder Palliako«, sagte Daskellin und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, »ist ein Schwachkopf, den wir gefördert haben, damit er Issandrian blamiert, indem er die Besetzung von Vanai ist einen Misthaufen verwandelt. Er ist ein unerprobter Junge, dessen gesamte militärische Erfahrung darin besteht, einen Pfeil ins Bein bekommen zu haben und vom Pferd gefallen zu sein. Nun scheint er außerdem noch ein blutdurstiger Tyrann zu sein. Bis heute Abend wird Issandrian ein Dutzend Männer gefunden haben, die schwören, dass seine Ernennung auf uns zurückgeht, und es ist beinahe sicher, dass einer von ihnen Lord Ternigan sein wird. Wir werden es nicht leugnen können.«
Dawson konnte das Unbehagen in den Augen der anderen Männer erkennen und sah, wie sie die Schultern hängen ließen, wie sie die Köpfe gesenkt hielten. Wenn er die Wut mit Wut beantwortete, würde es hier und jetzt damit enden, dass sie beide wie Kamphunde übereinander herfielen und das Vertrauen der Kabale zerstört wurde. Dawson lächelte, und Daskellin spuckte in die Asche im Feuerrost.
»Es leugnen?«, sagte Dawson. »Ich werde an Palliakos Seite sitzen und stolz sein. Oder habt Ihr heute alle eine andere Parade als ich gesehen? Ist es niemandem sonst aufgefallen, dass einige hundert getreue Anteaner unter Palliakos Befehl nach Camnipol marschieren, während wir uns unterhalten?«
»Ich verstehe nicht«, erwiderte Odderd.
»Folgendes werden wir sagen«, erklärte Dawson. »Als Palliako herausfand, dass Issandrian eine bewaffnete Streitmacht nach Camnipol bringt, hat er beschlossen, seine Truppen zur Verteidigung des Throns herzuführen. Anstatt Vanai unseren Feinden zu überlassen, hat er auf eine Weise gehandelt, die seine stählerne Absicht deutlich machen würde. Er hat nicht nach jedem letzten Stück Silber in der Stadt geschürft. Er hat sie nicht für Zugeständnisse oder Zölle verschachert. Er hat sie niedergebrannt wie ein Krieger der alten Zeit. Wie die Drachen. Welcher andere Mann in ganz Antea ist so leidenschaftlich und rein in seinen Absichten? Wer sonst hätte getan, was er getan hat?«
»Aber der König hat die Erlaubnis gegeben, diese Spiele abzuhalten. Und diese Armee kommt, um uns zu retten? Die Hälfte der Männer gehört Issandrian, und die anderen verachten Palliako im besten Fall«, sagte Daskellin. »Das hier ist ein Märchen.«
»Sie verachten ihn nicht. Sie fürchten ihn. Und wenn wir es alle laut genug und oft genug sagen, wird auch Issandrian ihn fürchten«, verkündete Dawson. »Und da unser aller Leben davon abhängen könnte, schlage ich vor, dass wir es im Chor einstudieren.«
»Dann sieht so also Verzweiflung aus«, sagte Daskellin.
Dawson achtete nicht auf ihn. »Wenn Issandrian gegen uns vorgeht, wird das zeigen, dass Palliako recht hatte. Wenn nicht, wird es daran liegen, dass Palliako ihn eingeschüchtert
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