Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
zwingen, hineinzugehen zu jenen, die bei ihr Freunden oder Familie oder Liebsten am nächsten kamen. Ihren Angestellten. Sie wollte, dass Yardem Hane herauskam und sie suchte. Dass Cary ihr auf der Straße entgegenkam. Dass Opal aus ihrem Meeresgrab aufstieg und sie an Ort und Stelle erwürgte.
Cithrin ging nach oben. Sie zog ihr Kleid aus und setzte sich im Unterhemd auf das Bett. Ihr Schweiß wollte nicht trocknen, wollte sie nicht kühlen.
Sie hatte verloren. Selbst jetzt ergab es keinen Sinn. Sie konnte sich nicht dazu bringen, es zu glauben. Sie hatte verloren. Die Tränen waren inzwischen fort. Der Schmerz war fort, obwohl sie das Gefühl hatte, dass er nur ruhte, schlief wie eine Raubkatze, nachdem sie Beute geschlagen hatte. Er würde wiederkommen. Im Augenblick spürte sie nichts. Sie fühlte sich tot.
Sie hatte verloren. Und der Auditor kam.
Die Sonne zog ihren Bogen hoch am Himmel. Cithrin saß da. Die Geräusche der Straße veränderten sich, der von der Hitze gelähmte Verkehr des Tages wich langsam den helleren, lebhafteren Stimmen des Abends. Sie musste pissen, aber sie verdrängte es. Es war unmöglich, sich vorzustellen, dass noch Feuchte in ihr war, nachdem sie in Schweiß und Tränen gebadet hatte. Und dennoch führte ihr Körper seine Funktionen aus, ob sie es nun guthieß oder nicht. Als der Drang zu stark wurde, um ihn zu ignorieren, suchte sie ihren Nachttopf und benutzte ihn. Sobald sie sich bewegte, war es leichter, in Bewegung zu bleiben. Sie zog ihr Unterhemd aus, ließ es zusammengeknüllt auf dem Boden liegen und fand ein leichtes, besticktes Kleid, das allein dadurch hübscher wurde, dass sie es schon in der Hand hatte. Sie zog es an, ging die Stufen hinab und hinaus auf die Straße, ohne sich die Mühe zu machen, die Tür hinter sich zu verschließen.
Die Schänke hatte die Läden geöffnet, und die Meeresbrise wehte hindurch. Keine Kerzen oder Laternen waren entzündet, um sogar das bisschen zusätzliche Hitze fernzuhalten, so dass die Räume trotz des Sonnenlichts finster waren. Die Schankmaid war eine, die sie kannte, mit dickem Gesicht und nachtschwarzem Haar, das ihr über die Schulterblätter fiel. Ein winziger Hund tänzelte nervös um die Knöchel der Frau. Cithrin ging zum hinteren Tisch, ihrem Tisch. Jemand war dort, halb verborgen vom groben Stoff.
Qahuar Em.
Cithrin zwang sich weiterzugehen. Sie setzte sich ihm gegenüber. Ein lockerer Fensterladen klapperte zweimal gegen den Rahmen und wurde dann still. Der Gesichtsausdruck des Mannes war sanft und reuig. Ein halbleerer Bierkrug stand auf dem Tisch.
»Guten Abend.«
Sie antwortete nicht. Er ließ die Zunge gegen die Zähne schnalzen.
»Ich hatte gehofft, dir ein Essen anbieten zu können, eine Flasche Wein. Eine Entschuldigung. Es war unschön vom Statthalter, dich auf diese Art fallen zu lassen.«
»Ich will nichts von dir«, sagte sie.
»Cithrin …«
»Ich will von dir nie wieder etwas sehen oder hören, solange ich lebe«, sagte sie, jedes Wort kühl, stechend und überlegt. »Und wenn du in meine Nähe kommst, werde ich meinen Wachhauptmann bitten, dich zu töten. Und er wird es tun.«
Qahuars Miene verhärtete sich. »Verstehe. Ich gebe zu, dass ich enttäuscht bin, Magistra. Ich hätte Besseres von Euch erwartet.«
» Du hättest Besseres von mir erwartet?«
»Ja. Ich hätte dich nicht für die Sorte Frau gehalten, die sich Wutanfällen hingibt. Aber ich habe mich eindeutig geirrt. Ich möchte dich daran erinnern, dass du diejenige warst, die sich in mein Bett gelegt hat. Du bist diejenige gewesen, die durch mein Haus geschlichen ist. Es ist lächerlich und kleinlich von dir, mir vorzuwerfen, dass ich das vorausgesehen habe.«
Du weißt nicht, was es mir bedeutet hat , dachte Cithrin. Sie werden mir meine Bank nehmen.
Qahuar stand auf und legte drei kleine Münzen auf den Tisch, um die Schankmaid zu bezahlen. Das Licht fing sich auf seiner rauen Bronzehaut, was ihn älter aussehen ließ. Diesen Sommer kam ihre achtzehnte Sonnenwende. Es war seine fünfunddreißigste.
»Wir sind Händler, Magistra«, sagte er. »Ich entschuldige mich sehr dafür, dass das Überbringen der Neuigkeiten so unerfreulich war, aber es kann mir nicht leidtun, dass ich diese Übereinkunft für meine Klanältesten eingehen kann. Ich hoffe, Ihr habt einen schöneren Abend.«
Er schob die Bank zurück, so dass das Holz über den Steinboden kratzte, und ging um sie herum.
»Qahuar«, sagte sie scharf.
Er hielt inne. Sie
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