Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
Banditen.
»Das ist doch Scheiße«, sagte einer der drei hinter ihm, aber seiner Stimme fehlte es an Überzeugungskraft.
»Wer ist das?«, fragte der Jasuru.
»Mein Kundiger«, sagte Marcus.
» Hört mich an «, rief Meister Kit, und der Wald selbst schien leiser zu werden. »Die Bäume stehen mit uns im Bunde, und die Schatten der Eichen schützen uns. Ihr könnt uns nichts anhaben, Junge. Und wir kommen vorbei.«
Ein Schauer lief Marcus über den Rücken. Er konnte sehen, dass Orcus der Dämonenkönig eine ähnliche Wirkung auf die Banditen hatte. Er spürte einen kleinen, zögerlichen Hoffnungsschimmer. Der Jasuru zog den Bogen aus seiner Halterung und legte einen Pfeil an die Sehne.
»Sag das noch einmal, du Bastard!«, rief der Banditenhauptmann.
Selbst in der Düsternis sah Marcus Meister Kit lächeln. Der Schauspieler hob die Arme, und die dunklen Falten seines Kostüms schienen sich ohne sein Zutun zu schlängeln, ganz genauso wie bei der Aufführung in Vanai. Es hatte etwas mit unregelmäßigen Nähten zu tun, aber durch Meister Kits Grabesstimme und seine herausfordernde Haltung war die Wirkung beunruhigend. Meister Kit erhob erneut die Stimme, langsam und deutlich und vollkommen zuversichtlich.
»Ihr könnt mir nichts anhaben. Euer Pfeil wird fehlgehen.«
Der Jasuru verzog das Gesicht und spannte die Sehne. Der Hornbogen ächzte.
Nun , dachte Marcus, einen Versuch war es wert . Und dann, eine Sekunde später: Gottverdammt. Er wird fehlgehen.
Der Pfeil sauste durch die Düsternis. Meister Kit zuckte nicht, als der Schaft an seinem Ohr vorbeiflog. Der Jasuru leckte sich mit einer breiten schwarzen Zunge über die Lippen. Sein Blick wanderte von Marcus zu Meister Kit und wieder zurück. Nun lag echte Furcht darin.
»Und, nebenbei bemerkt, bin ich wirklich Marcus Wester.«
Die Stille dauerte insgesamt vier Atemzüge an, ehe der Jasuru sein Pferd seitwärts wandte und den Arm hob. »Hier gibt es nichts zu holen, Jungs«, rief der Bandit. »Die kleinen Scheißer sind die Mühe nicht wert.«
Die Reiter verschwanden im Wald. Marcus stand auf der Straße, lauschte ihren leiser werdenden Hufschlägen und begriff, dass er heute doch nicht sterben würde. Er faltete die Hände hinter dem Rücken, um das Zittern zu unterdrücken, und blickte zum Karawanenmeister auf. Der Timzinae bebte ebenfalls. Zumindest war Marcus nicht der Einzige. Er trat an den Rand der Straße und sah, dass auch die Bogenschützen am Waldsaum verschwunden waren.
Yardem trat zu ihm. »Das war merkwürdig«, sagte der Tralgu.
»War es«, erwiderte Marcus. »Wir haben wohl keine Seilwinde? Wir werden diesen Baum beiseiteschaffen müssen.«
An diesem Abend kochte die Frau des Karawanenmeisters Fleisch. Keine Würste, kein gepökeltes Schwein, sondern ein frisch geschlachtetes Lamm, das der Karawanenmeister auf einem Hof am Waldrand gekauft hatte. Das Fleisch war dunkel und saftig, mit Rosinen und scharfer gelber Sauce gewürzt. Die Fuhrleute und der Großteil von Marcus’ Wachen saßen um ein prasselndes Lagerfeuer am Rande der Straße. Alle bis auf den Jungen mit der Wolle, Tak, der niemals mit irgendwem zu essen schien. Und an einem zweiten Feuer abseits von all den anderen aß Marcus mit Meister Kit.
»So habe ich mir meinen Lebensunterhalt verdient, seit … nun, nicht schon seit der Zeit, bevor Ihr geboren wurdet, nehme ich an«, sagte der Schauspieler. »Ich stehe vor Leuten, gewöhnlich auf einem Wagen, und überzeuge sie von Dingen. Ich sage ihnen, dass ich ein gefallener König oder ein schiffbrüchiger Seemann an einer fremden Küste bin. Ich gehe davon aus, dass sie wissen, dass das nicht stimmt, aber ich sehe meine Aufgabe darin, es sie glauben zu machen, selbst wenn sie es besser wissen.«
»Das war es also, was Ihr dort hinten getan habt?«, fragte Marcus. »Ihr habt dem Bastard mit dem Bogen sein Selbstbewusstsein ausgeredet? Es war keine Magie?«
»Ich glaube, wenn man einen Menschen dazu überredet, an sein eigenes Scheitern zu glauben, kommt das der Magie nahe genug. Meint Ihr nicht?«
»Eigentlich nicht, nein.«
»Nun, dann sind wir in diesem Punkt vielleicht unterschiedlicher Ansicht. Noch etwas Wein?«
Marcus nahm den dargebotenen Weinschlauch und ließ sich den Wein mit dem fruchtig-frischen Geschmack in den Mund laufen. Im Licht der beiden Feuer – dem kleinen nahe bei ihren Knien und dem großen fünfzehn Schritt entfernt – hefteten sich Schatten an die Wangen des alten Schauspielers und glitten in
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