Dollars
Während ich mir eine Zigarette anzündete, sah ich, daß die vielen Kerzen im Restaurant ebenso viele Sternchen in ihren Augen bildeten, und schon war da wieder dieses nervöse Gefühl im Bauch. Ein Gefühl, das ich nur zu gut kannte und das ich möglichst bald beheben mußte. Aber zuerst hatte ich noch einige geschäftliche Dinge mit ihr zu besprechen.
»Hast du King eigentlich gekannt?« fragte ich unvermittelt.
Ihre Reaktion war eigenartig. Sie erstarrte kurz und sah mich durchdringend und nachdenklich an. Während sie mit Entschiedenheit ihre Zigarette im Aschenbecher ausdrückte, sagte sie: »Bist du in Jeanette verliebt?«
»Wieso?«
»Antworte mir einfach.« Ihre Stimme hatte einen scharfen Unterton bekommen, der mich verwunderte.
»Nein, ich bin nicht in sie verliebt. Wenn du es genau wissen willst, ich war früher mal mit ihr zusammen. Aber das ist schon Jahre her. Warum fragst du?«
Es dauerte lange, bis sie antwortete. Sie starrte auf ihren Teller, spielte mit ihrem Messer und lächelte vage. Schließlich hob sie den Kopf und sah mich fest an. »Because I don’t want to cut in.«
Mein erster Gedanke war, daß man ihrer Aussprache tatsächlich den englischen Vater anhören konnte. Dann erst drang die Bedeutung dessen, was sie gesagt hatte, zu mir durch. »Das tust du auch nicht.«
Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Ich erschrak, weil ich dachte, daß sie gehen wollte, aber sie sagte: »Ich kenne dich jetzt seit fast drei Stunden, Sid Stefan, und ich mag dich sehr.«
Auf so was fällt mir nie eine passende Antwort ein. Ich ließ den Blick über ihren Kopf hinweg schweifen und trank den letzten Tropfen aus meinem längst geleerten Glas. Sie schlug die Augen nieder, drehte ihr Glas zwischen den Fingern hin und her und lächelte nach wie vor dieses eigenartige Lächeln. Zum Glück wurde gerade die Vorspeise gebracht. Ich hatte einen großen Teller Antipasti bestellt, die, wie sich zeigte, alle meine Erwartungen erfüllten.
»Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Kanntest du King?«
»Ja, sehr gut. Tut mir leid, ich dachte, du fragst mich das, weil du eifersüchtig bist.«
»Auf wen?«
»Auf King. Du weißt doch sicher, daß sie mit ihm liiert war, oder?«
»Ich hab’ so was läuten hören. Ist er verheiratet?«
»Nicht, daß ich wüßte. Er hat bis zu seinem Weggang mit Jeanette zusammengelebt.«
»Wo?«
»Das weiß ich wirklich nicht. Irgendwo in Amsterdam-West.«
Ich nickte – Mr. und Mrs. King, Geuzenkade Nummer soundso – und fragte weiter. »Warum ist er weggegangen?«
»Keine Ahnung. Er war plötzlich verschwunden. Jeanette war anfangs total fertig. Sie wollte auch nicht mehr dort wohnen bleiben und ist in den Herman Heijermansweg gezogen. Aber sie treffen sich noch regelmäßig.«
»In Japan?«
Sie sah mich verblüfft an. »Woher weißt du, daß er in Japan lebt?«
»Ist doch jetzt nicht wichtig.«
Sie bekam wieder diesen durchdringenden Blick, legte Messer und Gabel auf ihren Teller und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. »Du weißt eine ganze Menge, Sid.«
»Wie meinst du das?«
»Du weißt zum Beispiel genau, in welche Art Lokal und in welche Art Restaurant du mich ausführen mußt.«
»Wieso? Warum?«
»Um mich auszuhorchen.«
»Entschuldige, Pauline, aber ich verstehe überhaupt nicht, wovon du sprichst.«
»Ich habe schon die ganze Zeit das Gefühl, daß du über mich irgend etwas in Erfahrung bringen willst. Es war überhaupt kein Zufall, daß du mich in dem Straßencafé wiedererkannt hast. Du bist mir gefolgt und hast dich mit Absicht neben mich gesetzt.«
Ich atmete erleichtert auf. Sie hatte wahrscheinlich mit demselben nervösen Kribbeln zu kämpfen wie ich, wollte dem aber nicht gleich nachgeben und ging daher erst noch zum Angriff über. Frauen wollen immer gern in Würde die Segel streichen.
»Natürlich bin ich dir gefolgt, und natürlich habe ich mich mitAbsicht neben dich gesetzt, und natürlich wollte ich etwas über dich in Erfahrung bringen.«
»Ach ja, und was?« fragte sie feindselig.
»Wie du heißt und ob du mit mir essen gehen möchtest.« »Und weiter?« Sie wollte noch nicht gleich aufgeben. »Was willst du sonst noch wissen?«
Ich mußte lachen. »Das frage ich normalerweise nicht so direkt.«
Sie errötete, nahm Messer und Gabel und fing an zu essen. Der Ober kam mit dem Wein und schenkte ein Tröpfchen in mein Glas, das ich der Etikette nach kosten mußte. Ein Ritual, bei dem ich mir immer albern vorkomme. Ich nickte ihm
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