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Dollars

Dollars

Titel: Dollars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerben Hellinga
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mußte ich mich kurz auf ihre Schulter stützen – zumindest tat ich das. Die Berührung löste eine Art Stromstoß aus, der meinen Arm hinauffuhr und mich ganz schwindlig machte. Ich beugte mich über den Plattenspieler, und meine Hand wanderte ihren Rücken hinunter. Oben auf dem Plattenstapel lag eine Aufnahme von einem schottischen Dudelsackkorps. Mit zitternden Händen legte ich sie auf. Gleichzeitig ließ sich Pauline rücklings in meine Arme gleiten.
    Die Dudelsäcke brachen in schrille Ekstase aus. Romantisch ist diese Musik wahrlich nicht, aber ich verstehe jetzt, warum sie früher oft bei Feldschlachten gespielt wurde.

9
    Um neun Uhr morgens saß ich geduscht, rasiert, duftend und angezogen mit dumpfem Schädel vor drei Spiegeleiern und einer Kanne Kaffee. Ich hätte gern noch geschlafen, denn daraus war in der Nacht nicht viel geworden, aber Pauline hatte einen Flug nach Paris, und mußte früh los.
    Ich hatte mich zum Wachwerden in ein Schaumbad gelegt und mich dann mit einem stumpfen Rasiermesser, das sie aus irgendeiner Schublade gefischt hatte, mehr schlecht als recht rasiert. Pauline verfügte, wie ich entdeckte, nicht nur über ein internationales Spirituosensortiment, sondern auch über eine riesige Parfümsammlung. Unter Dutzenden Flakons im Badezimmer fand ich ein ungeöffnetes Lanvin pour Hommes , was meine Laune merklich hob.
    Das Wetter war umgeschlagen. Durch den Park fegte ein kräftiger Sturm. Von dem tiefen Sofa im Erker aus, wo ich mich zum Frühstücken niedergelassen hatte, sah ich oberhalb der Fensterbank gelbe und rote Baumwipfel, die heftig den grauen Wolken winkten. Die Scheiben klapperten in ihren Rahmen, und unten im Haus schlug eine Tür stetig auf und zu. Nach der letzten Tasse Kaffee folgte die erste Zigarette.
    »Sid«, rief Pauline aus dem Schlafzimmer.
    Ich ging zur offenstehenden Tür. »Ja?«
    Sie hatte schon ihre kokette Uniform an und saß vor dem Spiegel, um sich zu schminken. Das Schlafzimmer war im Gegensatz zum vollgestopften Wohnzimmer nüchtern und spartanisch eingerichtet, mit Stahlstühlen auf dem nackten Holzfußboden und einem großen, niedrigen, harten Bett.
    »Was machst du gerade?« Sie sah mich mit schräg erhobenem Kopf und halb geschlossenen Augen im Spiegel an. Das noch ungekämmte Haar fiel über ihre Bluse, und sie war geradedabei, sich mit einem rosa Stift die Lippen anzumalen. Ich betrachtete sie sinnierend. Komischer Gedanke eigentlich, daß eine Frau, die du im Grunde noch gar nicht kennst, auf diesem Gebiet keine Geheimnisse mehr vor dir hat. »Ich hab’ aus dem Fenster geguckt.«
    »Was hast du heute vor?«
    Ich hatte ihr erzählt, daß ich Werbetexter sei und an einem großen Auftrag arbeiten müsse. Sie hatte mir angeboten, daß ich in ihrer Wohnung arbeiten könne. Sie sei ja ohnehin fast immer weg. Tja, aber was hatte ich denn eigentlich vor? Eine Nacht lang hatte ich nicht mehr an Carlo und an Jeanettes verschwundene Leiche gedacht. Das hatte plötzlich so was Irreales. Was hatte ich denn im Grunde mit diesen italienischen Gangstern zu schaffen? Und sie mit mir? Existierten sie überhaupt? Oder war das alles nur eine Fiktion, die meiner arbeitslosen Phantasie entsprungen war?
    Neben Paulines Frisiertisch war ein Fenster mit Blick auf die Straße. Ich trat an die Fensterbank und strich, während ich nach draußen schaute, mit dem Zeigefinger über Paulines Nackenwirbel.
    »Was sagtest du?«
    »Ich fragte, was du heute vorhast.«
    »Entschuldige, ich bin noch nicht ganz wach. Ich denke, ich werde etwas arbeiten.«
    »Hier?«
    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand mein Leihwagen. Nasse gelbe Blätter klebten auf dem schwarzen Dach. In dem Haus direkt dahinter war ein Kindergarten. Gerade gingen einige Mütter mit ihren farbenfroh eingemummelten Stöpseln an der Hand hinein. Zwei Knirpse, vier oder fünf Jahre alt, kamen quer über die stille Straße und blieben juchzend vor meinem Auto stehen. Wie Hampelmänner hüpften sieauf und ab, die roten Gesichter belustigt verzogen. Aus dem Kindergarten kam eine junge Frau auf die beiden Witzbolde zu, nahm sie bei der Hand und wollte sie mit hineinnehmen, doch sie zeigten protestierend auf mein Auto. Als die junge Frau stehengeblieben war, in die gezeigte Richtung geschaut und brav gelacht hatte, war das Interesse der beiden Kleinen auf der Stelle verflogen, und sie hüpften mit ins Haus.
    Plötzlich sah ich, was los war. Alle vier Reifen waren platt. »Was sagst du?«
    »He, Sid, ich

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