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Dollars

Dollars

Titel: Dollars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerben Hellinga
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zu, der Wein war wirklich vorzüglich. Als er weg war, fuhr ich fort: »Ich hab’ dich nur nach King gefragt, weil ich ihn nie gesehen habe. Weißt du, ich habe drei Jahre im Ausland gelebt und Jeanette die ganze Zeit nicht mehr gesehen.«
    Sie schaute von ihrem Teller auf. »Entschuldige, Sid, so hatte ich das nicht gemeint.«
    Was meinte sie denn jetzt wieder damit? Sie tat ja, als wären wir schon seit Jahren miteinander verlobt.
    »Natürlich kann ich dir von King erzählen. Er war sehr charmant, weißt du. So ein rauher, amerikanischer Charme. Alle Mädchen bei uns waren ganz verrückt nach ihm. Aber Jeanette hat ihn sich schließlich geangelt. Er schien sie auch wirklich zu lieben, und soweit ich weiß, haben sie nie Probleme gehabt, obwohl er bestimmt nicht einfach war. Er hatte viel mitgemacht, und ich glaube, daß er im Grunde alle Menschen haßte. Er ist im Krieg Jagdflieger gewesen und ein paarmal abgeschossen worden, konnte aber jedesmal entkommen. Er wollte nie darüber reden, aber man erzählte sich die wildesten Geschichten über ihn.«
    »Warum wurde er entlassen?«
    »Das weiß niemand. Er war plötzlich weg, von einem Tag auf den andern. Jeanette hat auch nie darüber gesprochen.«
    »Warum ist sie nicht mit ihm gegangen, wenn sie ihn so geliebt hat?«
    »Das hat auch keiner verstanden, aber sie wollte partout nicht darüber reden.«
    »Du sagtest vorhin, daß sie sich noch regelmäßig treffen. Wo?«
    »Überall auf der Welt. Er fliegt für eine japanische Gesellschaft rund um den Globus und Jeanette natürlich auch, und ich nehme an, daß sie sich immer über ihre Flüge auf dem laufenden halten. Jedenfalls bin ich ihnen mal in New York und mal in Lissabon begegnet. Sie wirkten noch sehr verliebt.«
    Das Stroganoff wurde serviert, butterzart und mit einer delikaten Ingwersoße. Ich brachte das Gespräch wieder auf Bücher und auf Pferde und auf Bücher über Pferde. Sie war nämlich passionierte Reiterin und hatte früher sogar ihr eigenes Pferd besessen. Dazu Vivaldis Oboenkonzert im Hintergrund, ein Glas schweren Chambertin in der Hand und ihre glänzenden blauen Augen mir gegenüber – die perfekte Kombination.
    Wir bekamen noch Eis und Käse und Obst, und sie erzählte unterdessen, wobei sie ihre langen, schlanken Hände illustrierend hin und her bewegte und der Ausdruck ihrer Augen von Minute zu Minute variierte, mal schaute sie fragend, mal lachend oder betrübt oder böse, in getreuer Widerspiegelung dessen, was sie erzählte. Ich lehnte mich derweil auf meinem Stuhl zurück, nickte hin und wieder beipflichtend, paffte eine Zigarette nach der anderen und fühlte mich doch wahrhaftig ganz ruhig und zufrieden. King, Jeanette, Carlo, Romeo – wer war das eigentlich? Und Frau Effimandi – hatte die auch was damit zu tun? Und die zwei Gorillas in der Kneipe und der kleineItaliener, der mir gefolgt war... Sie alle waren für eine Weile vergessen.
     
    Wir beschlossen, den Kaffee irgendwo anders zu trinken. Als wir uns auf den Ausgang zubewegten, sah ich, daß sie jemanden grüßte. Es war ein junger Amerikaner, ein geschniegelter Collegetyp.
    Er nickte Pauline kühl zu und ließ den Blick gleichermaßen kühl über mich hinweg wandern. Ich gab ihm mit meinem Blick zu verstehen, daß ich ihn zum Kotzen fand, und er nahm rasch wieder die Unterhaltung mit einem dunkelhaarigen Mädchen in schwarzem Kleid mit weißem Dekolleté auf.
    »Wer war das?« fragte ich sie, auf dem Weg zu meinem Wagen, sofort bereit, eifersüchtig zu sein.
    »Ein Passagier«, antwortete sie, »er fliegt unheimlich oft, ich sehe ihn mehrmals im Monat. Und die meisten anderen Stewardessen kennen ihn auch, das will schon was heißen.«
    »Wo möchtest du Kaffee trinken?« fragte ich, während ich den Motor anließ.
    »Wie wär’s bei mir zu Hause?« antwortete sie lässig.
    Das war natürlich genau das, worauf ich gehofft hatte, aber ich versuchte meinerseits möglichst beiläufig zu tun. »Gute Idee.«
    Sie wohnte in der Van Eeghenstraat, in einem dieser zugigen alten Kästen am Vondelpark. Auf der Gummimatte vor der Haustür stand eine Flasche Milch, mit der Abendzeitung daneben. Ich bückte mich, um die Zeitung aufzuheben.
    »Die Flasche kannst du auch gleich mitnehmen, ist alles für mich«, sagte Pauline. Während wir die Treppe hinaufgingen, erzählte sie, daß das Haus früher einem Onkel von ihr gehört habe, der es dann unter der Bedingung an eine Firma verkauft hatte, daß sie im Dachgeschoß wohnen bleiben

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