Dollars
Verfolger.
8
Mein erster Gedanke war vermutlich gewesen, daß ich durch sie das eine oder andere über Jeanette und King erfahren könnte, aber später war eine weit egoistischere Intention dazugekommen.
Auf der Terrasse des Americain saßen lauter frühere Bekannte. Alles Leute, denen ich eigentlich kurz guten Tag hätte sagen und mit denen ich ein paar Worte hätte wechseln müssen, wie es denn so gehe und so. Aber dazu hatte ich keine Lust. Ich tat, als würde ich niemanden sehen, und natürlich kam auch niemand von sich aus auf mich zu. Du mußt immer erst zu ihnen gehen, und tust du das nicht, lassen sie dich sofort fallen.
Sie hatte sich neben eine stark geschminkte ältere Dame gesetzt, und ein Stuhl an ihrem Tisch war noch frei. Ich beschloß, unverzüglich zur Tat zu schreiten, und besetzte den noch verbliebenen Stuhl. Die alte Dame saß zwischen uns. Sie hatte auf keinen von uns beiden reagiert, sondern beobachtete angstvoll das Verhalten eines undefinierbaren, langhaarigen Hündchens, das von einem weißen Pudel beschnüffelt wurde. Mein Verfolger war noch ein Stück weitergelaufen, blieb jetzt aber stehen. Ich konnte an seinem Rücken ablesen, daß er sich unschlüssig war, ob er sich auch auf die Terrasse setzen sollte, aber dann entschied er sich, fünfzig Meter weiter auf der Brücke über die Leidsekade Posten zu beziehen und eine Zigarette zu rauchen. Recht hatte er, fand ich, denn was hatte er in dem vollen, teuren Straßencafé verloren, und außerdem konnten wir einander so besser im Auge behalten. Meine Stewardess hatte sich derweil mit geschlossenen Augen und der Sonne entgegengerecktem Gesicht auf ihrem Stuhl zurückgelehnt und tat, als hätte sie meine Anwesenheit noch gar nicht bemerkt. Ich finde es immer ziemlich unanständig, wenn sich eine Frau in einem Straßencafé vor aller Augen in stummer, ekstatischer Anbetung mit erhobenem Gesicht der Sonne hingibt. Aber ich gab mir Mühe, meine Abneigung dieses Mal zu ignorieren, zündete mir eine Zigarette an und studierte ihr Gesicht. Dazu war ich im Flugzeug eigentlich nicht gekommen. Das komische Hündchen machte unterdessen Anstalten, den Pudel zu besteigen, und wurde von seinem Frauchen scharf zurechtgewiesen. Der Pudel gehörte, wie sich nun herausstellte, einem leicht gepuderten Herrn, der das Tier tröstend auf den Schoß nahm und ihm aus seinem Gläschen Eierlikör zu trinken gab.
Sie trug ihr glänzendes, kastanienrotes Haar in einer eng anliegenden Kurzhaarfrisur, ihr Gesicht darunter war schmal, ja fast spitz. Sie hatte einen kleinen Mund und eine wunderbar reine, zarte Haut. Wenn ich es nicht besser gewußt hätte, hätte ich sie für eine Engländerin gehalten. Sie trug einen grünen Rock und eine hellgelbe Flanellbluse, die beide sehr gut zu ihren roten Haaren und ihrem blassen Teint paßten. Ich war nicht der einzige auf der Terrasse, der sie anschaute.
Das langhaarige Hündchen war an unseren Tisch zurückgekehrt und hatte sich reuig mit gesenktem Kopf vor den Füßen seines Frauchens hingehockt. Bemerkenswert, wie sich die beiden ähnelten. Um uns herum plätscherte das übliche Geplapper. Nach einigen Minuten öffnete sie fast unmerklich die Augen und linste unter den noch halb geschlossenen Lidern zu mir herüber. Ich ging sofort zum Angriff über.
»Entschuldigen Sie, aber kann es sein, daß wir uns aus dem Flugzeug kennen?«
Sie riß die Augen sperrangelweit auf und sah mich erstaunt und zugleich erschrocken an. Wieso geben sich Frauen, die genau wissen, daß sich ein Flirt entspinnt, bloß immer so keuschund begriffsstutzig? Das ist doch reine Zeitverschwendung. Aber gut, ich wollte das Spielchen mitspielen.
»Ich bin vorgestern von Schweden nach Amsterdam geflogen und bilde mir ein, daß Sie Stewardess in dem Flugzeug waren. Da war noch eine andere Stewardess an Bord, mit der ich befreundet bin. Sie heißt ...« ich zögerte kurz, »Jeanette van Waveren.«
»Oh, Jeanette. Ja, ich bin vorgestern mit ihr geflogen, das stimmt. Ich glaube, jetzt erinnere ich mich auch wieder, haben Sie sich nicht in der Pantry mit ihr unterhalten?«
»Genau.«
Solche Gespräche verlaufen immer nach einem festen Schema. Sie tut so, als erinnerte sie sich nur vage, er, als freute er sich, daß sie sich überhaupt erinnert, und dabei wissen beide ganz genau voneinander, daß sie nur so tun als ob.
»Na, so ein Zufall«, sagte sie lachend. Sie hatte ein Lachen, wie es in antiquierten Mädchenbüchern immer als glockenhell beschrieben
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