Dollars
nur ein kurzfristiges Übel ist, das die Menschen fluchend und improvisiert durchstehen, und wo noch nie einer von geheizten Schlafzimmern oder gar elektrischen Heizdecken gehört hat.
Nach zehn Minuten kam der Alfa um die Ecke und hielt auf der anderen Straßenseite. Enzo und Bruno stiegen aus, klappten die Kragen ihrer makellos weißen Regenmäntel hoch und zeigten mit großen Gebärden auf das Haus. DAS MUSS DAS HAUS SEIN, spielten sie. Fünfzig Meter weiter hielt ein alter, grauer Opel. Enzo und Bruno trödelten noch ein bißchen herum, verglichen die Adresse mit dem, was sie vermeintlich auf einem Zettel notiert hatten, und gingen dann hinein. Fünf Minuten lang tat sich nichts. Ich sah nur Bruno oben vorsichtig aus dem Fenster spähen. Dann stieg ein Mann aus dem Opel. Es war tatsächlich einer dieser Gorillas, die ich in der Espressobar gesehen hatte. Er zögerte kurz vor dem Eingang, schaute sich um und ging hinein.
Ich wartete. Nach einer Minute kam er wieder heraus. Bestimmt hatte ihn das International Trade N.V. verwirrt. Er ging zum Opel zurück, beugte sich durch das geöffnete Seitenfenster hinein und besprach sich mit dem Mann am Steuer. Danach stellte er sich in den Eingang eines der Nachbarhäuser. Er zündete sich eine Zigarette an, vergrub die Hände in den Taschen und schaute mit finsterem Blick zum Himmel auf, als hätte er sich vor dem Regen untergestellt und befürchtete noch heftigere Schauer. Mich hatte er noch immer nicht gesehen, was dumm von ihm war, denn mein Wagen stand keine zehn Meter von ihm entfernt. Eine halbe Minute später fuhr der Opel langsam weg. Der Mann am Steuer grüßte seinen Komplizen mit lascher Gebärde. Als er zirka fünfzigMeter vor mir war, startete ich meinen Käfer und fuhr ihm nach.
Ich hatte Glück, er fuhr die Van Eeghenstraat hinunter, ohne in eine Seitenstraße abzubiegen, und als er die Van Baerlestraat erreichte, sah ich schon den Alfa in meinem Rückspiegel.
Es war das erste Mal in meinem Leben, daß ich jemanden mit dem Auto verfolgte, und es erwies sich als gar nicht so leicht. Zweimal verlor ich ihn aus den Augen, fand ihn aber beide Male gerade noch rechtzeitig wieder. Hinzu kam aber noch, daß er mich nicht bemerken durfte, und das war weit schwieriger. Ich ließ mich hin und wieder von anderen VW Käfern überholen – die zum Glück reichlich vertreten waren –, was mich hoffentlich ein wenig tarnte. Es regnete inzwischen auch stärker, was mir Deckung verschaffte, aber auch meine Sicht behinderte.
Wir fuhren quer durch die Innenstadt. Da der Feierabendverkehr gerade seinen Höhepunkt erreicht hatte, ging es nicht sonderlich schnell voran. Schließlich kamen wir beim Hauptbahnhof heraus. Der Opel fuhr rechts davon unter der Eisenbahnbrücke hindurch und bog dann nach rechts ab, so daß wir jetzt die Gleise zur Rechten hatten und zur Linken das Hafenbecken. Auf unserer Seite war der Hafen für die Binnenschiffe, auf der anderen lagen die Ozeanriesen in den Docks und an den Kais. Dahinter erhob sich ein dichter, grauer Wald aus Kränen.
Die braunen Wolken hingen tief über den großen Schiffen, und der Wind trieb Schaumkronen über das Wasser des IJsselmeers. Erneut bogen wir nach rechts ab, wieder unter einer Eisenbahnbrücke hindurch, und danach gleich wieder nach links. »Dijksgracht« besagte ein Straßenschild. Der Gleisdamm lag jetzt links von uns, darüber ragten hoch die Spitzen der Hafenkräne hinaus. Rechter Hand erstreckte sich ein Kanal vollerHausboote. Am anderen Ufer lagen zwei plumpe, graue Marineschiffe wie tote Fische im Regen. Das eine war ein abgedanktes Kanonenboot mit zweifellos ruhmreicher Vergangenheit, das andere ein merkwürdig rundliches Schiff aus noch früherer Zeit, das nicht sonderlich seetüchtig aussah. Unnützerweise standen auf beiden Schiffen Matrosen an Bord und hielten Wache. Der Opel fuhr jetzt viel schneller, denn hier war nur wenig Verkehr. Ich hatte mich hinter einen LKW geklemmt, und es genügte, hin und wieder kurz nach links rüberzuschwenken, um den Opel im Auge zu behalten. Enzo und Bruno fuhren hinter mir und zwinkerten mir ab und zu mit ihrer Lichthupe zu. Am Ende der Dijksgracht fuhr der Opel ein weiteres Mal unter einer Eisenbahnbrücke hindurch und bog dann nach rechts in die Piet Heinkade ein.
Hier war der richtige Hafen. Hier befanden sich die großen Lagerschuppen und Umschlagplätze der Reedereien. Links der Straße stand ein großes Kühlhaus, völlig fensterlos und auch äußerlich sehr
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