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Dollars

Dollars

Titel: Dollars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerben Hellinga
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kaum noch nach Hause kam.«
    Enzos Lächeln wurde breiter, während Bruno, der auf mich sowieso einen – soweit überhaupt möglich – noch ernsteren Eindruck machte als sein Bruder, bis auf ein gelegentliches Blinzeln keinerlei Reaktion zeigte. Mein Italienisch, das mir zunächst, vor allem morgens bei Frau Effimandi, noch mühsam und stockend über die Lippen gekommen war, hatte sich inzwischen wieder zurückgemeldet, und ich konnte bei der Formulierung meiner Sätze aus dem vollen schöpfen. Ich spürte, daß ich ihre Aufmerksamkeit hatte und ihr anfängliches Mißtrauen und ihre durchaus verständlichen Vorbehalte abnahmen.
    »Und dann kam der schwerste Schlag«, fuhr ich fort. »Er wurde beim Militär nicht in die Elitetruppe, zu den Fallschirmspringern, aufgenommen, und selbst die Marine, der einzige andere Truppenteil, in dem ein junger Mann aus gutem Hause noch seinen Dienst ableisten könnte, wollte ihn nicht haben. Er wurde schlicht und einfach der Infanterie zugeteilt. Von Offiziersausbildung war schon gar keine Rede, und das führte zum definitiven Bruch zwischen Romeo und Ihrem Vater. Oder liege ich völlig falsch?«
    Enzo schüttelte den Kopf. »Sie sind in der Tat nicht so sehr weit von der Wahrheit entfernt. Eigentlich haben Sie nur ein einziges Detail ausgelassen, das auch noch von Bedeutung war.«
    »Erzählen Sie.«
    »Er war kurze Zeit auf einem Priesterseminar, aber auch dort wurde er hinausgeworfen. Wegen schlechten Benehmens.«
    »Das dürfte vor allem Ihre Mutter schwer getroffen haben.«
    »Er verlor dadurch ihre Unterstützung, auf die er immer hatte bauen können. Der endgültige Bruch mit meinem Vater kam tatsächlich, als Romeo seinen Militärdienst ableisten mußte, aber nicht, weil er – auch das stimmt – bei der Infanterie landete, denn das war meinem Vater egal, sondern weil er kurz vor der Einberufung das Land verlassen hat.«
    »Aha. Kaffee?«
    »Warum nicht?«
    Ich erhob mich und ging in die Küche. Während ich mit der Kaffeekanne beschäftigt war, rief ich durch die offene Tür: »Und was ist dann passiert?«
    Doch anstatt zu antworten, rief Enzo: »Woher haben Sie eigentlich all diese Informationen?«
    »Nirgendwoher. Ich habe in meinem früheren Beruf gelernt, assoziativ zu denken. Das hilft. Zudem kenne ich Italien ziemlich gut, ich habe Romeo gesehen und jetzt Sie beide und seine Kleidung und Ihre Kleidung und das Foto von Ihren Eltern, und ich weiß, was Sie studieren und wo Sie wohnen, und aus all diesen Gegebenheiten reime ich mir eine Welt zusammen, die zu Ihnen paßt.«
    »Was war denn Ihr früherer Beruf?«
    »Werbetexter.«
    »Und was machen Sie jetzt?« fragte Bruno.
    Auf die Frage konnte ich keine Antwort geben, denn tja, was machte ich eigentlich? Ich tat also, als hätte ich ihn nicht gehört und wiederholte meine Frage: »Und was ist dann passiert?«
    Enzo antwortete: »Einige Monate später schrieb er uns eine Karte aus England. Daraufhin hat mein Vater ihn über die Botschaft in London ausfindig machen lassen. Anfangs weigerte er sich zurückzukommen, aber dann war er urplötzlich doch wieder da. Er hatte in England unter schwerer Unterernährung gelitten und sich irgendeine Krankheit eingefangen. Nichts Dramatisches, er hatte sich nach ein, zwei Monaten wieder vollkommen erholt, aber es reichte, um ein für allemal ausgemustert zu werden.«
    Ich ging ins Zimmer zurück. »Zucker?«
    Sie nickten. »Ja, und dann ist er in die Niederlande gegangen, und so kommen wir hierher.«
    »Was hatte er denn hier zu tun?«
    »Geschäfte. Er hatte in England jemanden kennengelernt, der ihm einen guten Job in den Niederlanden anbot. Vater war anfangs skeptisch, aber es scheint bestens zu laufen. Er verdient gut, reist viel und kommt auch wieder regelmäßig zu uns nach Hause, weil er häufig nach Italien muß. Dadurch haben wir auch Signorina van Waveren kennengelernt. Er scheint hier überhaupt ziemlich viele Leute zu kennen.«
    »Hat er sie mal mit nach Hause gebracht?«
    »Sie war einmal zufällig in Mailand – sie ist Stewardess –, als er auch gerade da war, und da hat sie bei uns gegessen.«
    »Ist er in sie verliebt?« Es kostete mich große Mühe, im Präsens über Romeo und Jeanette zu sprechen.
    »Ach, verliebt... Er ist ziemlich flatterhaft«, sagte Bruno geringschätzig.
    »Und sie? Machte sie den Eindruck, daß sie in ihn verliebt ist?«
    Sie schwiegen eine Weile. Dann sagte Enzo, wieder mit diesem schmalen Lächeln: »Wissen Sie, die Mädchen aus dem

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