Dollars
erschrak, als es endlich ertönte.
»Ja?«
»Sid, hier Enzo.«
»Ja?«
»Es ist genauso gelaufen, wie du gesagt hast. Wir sind überall gewesen, und jetzt werden wir verfolgt.«
»Sehr gut. Erzähl mal genau, was passiert ist.«
»Wir sind also in die Espressobar gegangen, die du uns genannt hast. Da waren tatsächlich lauter Landsleute, und wir haben das Mädchen an der Theke gefragt, ob sie vielleicht einen Carlo Voltini kennt. Sie sagte nein und fragte einen Gast, ob er uns vielleicht weiterhelfen könne. Der sagte, er kenne ihn auch nicht, und darauf haben wir noch jemanden gefragt, und binnen einer Minute wußte das ganze Café, daß wir Carlo Voltini suchten. Aber keiner konnte uns weiterhelfen. Anschließend sind wir in die Espressobar gegenüber gegangen und haben genau das gleiche gemacht, und als auch da niemand Carlo kannte, haben wir gefragt, ob sie dann vielleicht Romeo kannten und wüßten, wo er wohnt. Auch dort konnteuns keiner weiterhelfen. Da sind wir in das dritte Café gegangen, um die Ecke, genau wie du es beschrieben hattest. Aber inzwischen wurden wir schon verfolgt.«
»Von wem?«
»Erzähl’ ich dir gleich. Als wir in dem zweiten Café waren, kam ein Anruf aus dem ersten, unsertwegen. Das vermuten wir zumindest, denn der Mann, der ans Telefon ging, schaute ganz komisch zu uns rüber, als er wieder auflegte. Im dritten Café fragten wir wieder nach Carlo und Romeo, und als uns niemand weiterhelfen konnte, fragte Bruno nach Enrico Pisicini. Keiner wußte etwas und keiner sagte etwas. Allmählich wurde es uns unheimlich, daß sie uns immer nur alle stumm anstarrten, und da sind wir in den Imbiß gegangen, den du uns genannt hattest, auf dem großen Platz.«
»Wer hat euch verfolgt?«
»Zwei kleine, breite, bullige Kerle. Sahen aus wie Affen. Italiener.«
»Ah, die. Das dürften dieselben gewesen sein, mit denen ich es zu tun hatte. Hör zu, steht euer Wagen da, wo ich gesagt habe?«
»Ja.«
»Dann geht jetzt ganz langsam dorthin. Gebt ihnen reichlich Gelegenheit, euch zu folgen. Wenn ihr beim Wagen seid, studiert erst mal ausführlich den Stadtplan, so daß sie genügend Zeit haben, sich ein Taxi zu nehmen oder ihren eigenen Wagen zu holen, und kommt dann mit dem Wagen hierher. Ich stehe bis dahin mit meinem VW draußen bereit. Geht nach oben und schaut durchs Schlafzimmerfenster auf die Straße runter. Wenn ihr seht, daß ich wegfahre, kommt ihr so schnell wie möglich runter und folgt mir mit dem Alfa. Aber haltet einen Sicherheitsabstand ein, denn sie dürfen nichts wittern. Solange der VW nicht fährt, verhaltet ihr euch da oben auch ruhig.«
» Va bene.«
»Sorgt dafür, daß sie euch nicht verlieren.«
»Bis gleich.«
Ich ging sofort nach unten, parkte den Käfer strategisch hinter einem großen amerikanischen Schlitten, so daß ich nicht allzu sichtbar war, und wartete. Es hatte unterdessen angefangen zu regnen. Dicke Tropfen klatschten aus der Wolkensuppe herab. Heftige Böen pfiffen durch die Straßen und peitschten das Wasser der Pfützen auf. Herbst in Amsterdam. Zugegeben, die Stadt ist dann schön. Schöner denn je. Aber so trübselig. Alle beklagen sich darüber, daß es einfach nicht Sommer werden wollte und jetzt schon wieder der Winter naht, der im Gegensatz zum Sommer nie ausbleibt. Alle hasten schlechtgelaunt durch die Straßen, in ihren viel zu dicken, lästigen Mänteln und Pullovern und Unterhemden und langen Unterhosen, mit ihren zwei Paar Socken an den Füßen, ihren Ohrenwärmern, Wollkrawatten und Mützen.
Nach zwei Wochen stetigem Regen sind die Gesichter wieder blaß und die Nasen rot, die Augen tränen, und die Küsse schmecken nach Lebertran. Aus den Häusern dünstet der durchdringende Geruch von Sauerkraut mit Speck, Grünkohl mit Grützwurst, Eintopf mit Kochfleisch, kurz, fettem, schwerem Essen, denn jetzt wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Ein ganzes Volk schwingt sich zu sechs Monaten Verdauungsstörungen und Übergewicht auf, sechs trägen Monaten in zu stark geheizten Räumen, sechs Monaten mit Grippe- und Erkältungsepidemien.
Während ich im Käfer wartete, dachte ich an meinen Winter in Spanien. An die Steinhütte am Meer, in der ich gewohnt hatte, an das Holzfeuer im offenen Kamin, für das ich jeden Tag am Strand Treibholz sammelte. An den Glühwein, den ich abendstrank, und an jenen ersten Morgen im Februar, als ich wieder im Meer baden konnte. Und ich dachte an all die anderen Länder rund ums Mittelmeer, wo der Winter
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